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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Fleisch essbar war. Vor zwei Sommern hatten die Jäger ein erlegtes Pferd mitgebracht, und das ganze Dorf hatte sich daran gütlich getan - abgesehen von ihr selbst, denn ihre Mutter hatte ihr verboten, davon zu kosten. Jetzt verstand Arri auch, warum.
    »Jetzt komm schon her«, sagte ihre Mutter zum wiederholten Mal, zwar immer noch lächelnd, aber dennoch in einem hörbar veränderten Tonfall, der ihre Aufforderung eher in die Nähe eines Befehles rücken ließ anstelle einer Bitte. Arri setzte sich gehorsam in Bewegung, aber ihr Herz klopfte immer heftiger, und ihre Finger begannen zu zittern, als sie auf einen auffordernden Wink ihrer Mutter hin die Hand hob, um die Nüstern des Hengstes zu streicheln. Nachtwind senkte den Kopf, um es ihr ein wenig leichter zu machen, und sie war überrascht, wie weich und warm er sich anfühlte. Sie hatte erwartet, es wäre wie bei einer Kuh, schlabberig und kalt, aber das genaue Gegenteil war der Fall.
    Der Hengst ließ sie kurz gewähren, dann warf er mit einem Schnauben den Kopf in den Nacken, tänzelte ein paar Schritte zurück und sprengte davon, aber nur, um gleich darauf zurückzukommen und mit den Hufen vor ihr im Boden zu scharren.
    »Du gefällst ihm«, sagte Lea. »Ich glaube, du hast einen neuen Freund gewonnen.«
    Arri bedachte den Hengst mit einem schrägen Blick. Er mochte vielleicht nicht so boshaft und angriffslustig sein, wie der Anblick seines nachtschwarzen Fells und des beeindruckenden Gebisses sie glauben machte, aber er war ein Tier, und ein schrecklich starkes dazu. Ihr Freund?
    Die Herde hatte sich mittlerweile zerstreut. Etliche Tiere grasten friedlich, andere tollten mit den Jungtieren herum, von denen Arri eine ganze Anzahl gewahrte, wieder andere standen einfach da und taten gar nichts; vielleicht Wächter, die nach Raubtieren Ausschau hielten, die versuchen mochten, sich im hohen Gras unbemerkt anzuschleichen. Arri sah jetzt auch, dass sie sich kräftig verschätzt hatte, was die Größe der Herde anging. Es waren vielleicht vierzig oder fünfzig Tiere, noch immer eine gewaltige Menge, die aber nicht nach hunderten zählte.
    Sie drehte sich wieder zu ihrer Mutter um und wollte etwas sagen, doch da traf sie ein Stoß in den Rücken, der fast sanft war, zugleich aber so kraftvoll, dass sie haltlos zwei, drei Schritte nach vorn stolperte und nur mit Mühe und heftig rudernden Armen ihr Gleichgewicht wieder fand. Empört fuhr sie herum und wich hastig noch einen weiteren Schritt rückwärts gehend zurück, als sie sah, wem sie diesen rüden Stoß zu verdanken hatte. Das Pferd war nicht ganz so groß wie Nachtwind - aber auch nicht wirklich kleiner - und hatte ein schwarzweiß geschecktes Fell, eine lange, strahlend weiße Mähne und einen schwarzen Schweif. Noch während sich Arri völlig verdattert fragte, ob dies nun ein heimtückischer Angriff oder ein Versehen gewesen war, kam es mit zwei Schritten näher, senkte den Kopf und stupste sie mit seiner weichen Schnauze so kräftig vor die Brust, dass sie schon wieder unbeholfen nach hinten stolperte und noch heftiger mit den Armen rudern musste, um nicht zu stürzen.
    »He!«, begehrte sie auf. »Was soll denn das?«
    Ihre Mutter lachte schallend. »Vielleicht solltest du ihr einfach die Nüstern streicheln oder den Hals. Ich wette, dass sie dann aufhört.«
    Arri warf ihrer Mutter zwar einen zweifelnden Blick zu, aber das gescheckte Ungeheuer trabte schon wieder heran, und so beeilte sie sich, ihrem Rat nachzukommen. Hastig streckte sie die Hand aus und tätschelte den schwarzweiß gefleckten Hals des Pferdes, und tatsächlich bekam sie jetzt keinen weiteren Knuff mehr. Ganz im Gegenteil schnaubte das riesige Tier vor lauter Wohlwollen. Arri fuhr zwar noch einmal zusammen, als sich der gewaltige Schädel ihrem Gesicht näherte, doch diesmal beließ es das Ungeheuer dabei, seine Nüstern kurz an ihrer Wange zu reiben; dann drehte es sich plötzlich um und lief ein paar Schritte weit davon, bis es stehen blieb und an den saftigen Grashalmen zu zupfen begann, die die Ebene bedeckten.
    »Ich muss mich verbessern«, sagte Lea hinter ihr. »Ich glaube, du hast zwei neue Freunde gewonnen.«
    Arri drehte sich halb zu ihr um, sah aber immer wieder zu dem schwarzweißen Schecken. Sie sagte nichts, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht schien so komisch zu sein, dass ihre Mutter schon wieder in ein leises, spöttisches Gelächter ausbrach.
    »Das ist Morgenwind«, sagte sie. »Nachtwinds Tochter.« Ohne Arris

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