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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fremdes Volk, das aus dem Osten über die Berge drängt und ein Dorf nach dem anderen erobert. Es heißt, sie lassen keine Überlebenden zurück.«
    »Dann geht nach Goseg, damit Nor euch Krieger schickt, um euch zu beschützen«, sagte Lea. »Immerhin entrichtet das Dorf genau zu diesem Zweck Jahr für Jahr Tribut an das Heiligtum.«
    »Vielleicht wäre es gar nicht nötig, Nor um Hilfe zu bitten«, sagte Sarn böse.
    »Was genau willst du damit sagen?«, fragte Lea. Ihre Stimme war ruhig, fast schon gefährlich ruhig, fand Arri, und auch der Ausdruck in ihrem Gesicht änderte sich nicht im Mindesten. Aber ihre Augen sprühten Funken, und die Finger ihrer rechten Hand schlossen sich ein ganz kleines bisschen fester um den Schwertgriff.
    Sarn hielt ihrem Blick stand, und auch in Grahls Augen zeigte sich ein Ausdruck, der über Trotz und mühsam unterdrückte Furcht hinausging. Er war nicht so dumm, nach seiner Waffe zu greifen, doch irgendetwas an seiner bloßen Art dazustehen schien nicht nur Arri zu zeigen, dass er durchaus bereit dazu wäre, wenn es sein musste.
    In diesem Moment, das spürte sie genau, waren sie alle nur ein winziges Stückchen vom Ausbruch offener Gewalttätigkeiten entfernt - obgleich niemand vermutlich wirklich sagen konnte, warum.
    Es war ausgerechnet Sarn, der die Lage wieder entspannte, wenn auch vermutlich, ohne es selbst zu ahnen, denn seine nächsten Worte kamen scharf und in herausforderndem, aggressivem Ton. »Ich will damit sagen, dass das Unglück bei uns Einzug gehalten hat, seit du und deine Tochter hier seid.«
    »Diesen Zustand können wir rasch ändern«, erwiderte Lea. »Wenn du darauf bestehst, dann ziehen Arianrhod und ich noch in dieser Nacht weiter. Das Wenige, was wir besitzen, ist schnell zusammengepackt.« Sie machte eine ausholende Handbewegung, und Sarn fuhr erschrocken zusammen und wich ein ganz kleines Stückchen zurück, als hätte er Angst, Lea könne ihn schlagen, während Grahls Blick mit wachsender Unruhe über das Schwert in ihrer Rechten tastete. »Ein einziges Wort genügt, Sarn«, fuhr sie fort, »und dieses Haus ist bei Sonnenaufgang leer. Doch vielleicht solltest du zuvor die Menschen im Dorf fragen, was sie davon halten. Wer wird ihnen sagen, wann die Zeit gekommen ist, die Saat auf die Felder zu bringen? Wer wird den Fischern sagen, wie sie bessere Reusen bauen und welche Fische sie fangen können und welche nicht, um den Bestand des nächsten Jahres nicht zu gefährden? Wer sagt den Jägern, in welche Himmelsrichtung sie gehen müssen, um mehr Beute zu machen? Wer kümmert sich um die Kranken und Verwundeten?«
    Und auch das, wünschte sich Arri, hätte sie besser nicht gesagt. Nichts davon war übertrieben oder gar gelogen. Die Menschen in diesem Dorf hatten auch vor ihrer Ankunft gejagt, Fische gefangen und ihre Kranken und Verletzten geheilt, doch das geheime Wissen ihrer Mutter übertraf ihre Fertigkeit bei weitem. Auch wenn sie die anderen Zeiten gar nicht bewusst miterlebt hatte, so wusste sie doch von ihrer Mutter, dass mit ihr und ihrer Tochter ein - wenn auch bescheidener - Wohlstand in das Dorf Einzug gehalten hatte, und was noch wichtiger war: Selbst im Winter hatten jetzt alle genug zu essen. Aber da war noch etwas, das ihre Mutter ihr vor gar nicht einmal langer Zeit gesagt hatte: Die Menschen hassten es, daran erinnert zu werden, dass sie einem etwas schuldeten.
    Das wütende Aufblitzen in Sarns Augen gab ihrer Einschätzung Recht. Für einen winzigen Moment sah der alte Mann tatsächlich so aus, als wolle er seinen Stock nehmen und sich auf Lea stürzen. Natürlich tat er es nicht, und doch spürte Arri, dass ihre Mutter mit diesen letzten Worten eine Grenze überschritten hatte, die besser unangetastet geblieben wäre. Es gab Wahrheiten, die alle kannten und die vielleicht doch nur so lange erträglich blieben, wie niemand sie aussprach.
    »Ihr seid also nur hierher gekommen und habt die halbe Nacht auf mich gewartet«, fuhr sie fort, als Sarn nicht antwortete und auch Grahl ebenso beharrlich schwieg, wie er sie mit kaum noch verhohlener Wut anstarrte, »um mir zu sagen, dass ihr mir nicht traut?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ihr hättet euch die Mühe sparen können. Das wusste ich bereits.«
    »Was ist das für ein Unsinn, den du meinem Bruder einflüstern willst?« fragte Grahl schließlich. »Bist du völlig von Sinnen? Reicht es dir nicht, was du ihm bisher angetan hast?«
    »Angetan?«, wiederholte Lea und sah den Jäger mit

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