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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ehrlicher Verständnislosigkeit an.
    »Du hast ihm den Arm abgeschnitten«, antwortete Sarn an seiner Stelle. »Du hast ihn zu einem Krüppel gemacht, der den Rest seines Lebens auf die Almosen anderer angewiesen sein wird.«
    »Ein Rest, den er sonst nicht gehabt hätte«, sagte Lea scharf. In ihrer Stimme war plötzlich ein neuer Klang. Nichts von alledem, was der Schamane und Grahl bisher gesagt hatten, hatte sie wirklich treffen oder gar verletzen können, doch dieser Vorwurf, das spürte Arri, ging eindeutig zu weit. Sie sah ihrer Mutter an, dass sie sich noch mit letzter Kraft beherrschte, einigermaßen ruhig zu bleiben.
    »Du hast ihn verkrüppelt«, beharrte Sarn stur, als hätte er diese Worte gar nicht gehört, »und jetzt willst du ihn auch noch zum Gespött aller anderen machen.«
    »Oh«, murmelte Lea. »Er hat es dir erzählt, ich verstehe.« Sie schwieg für eine geraume Zeit und schüttelte traurig den Kopf. Nach einem kurzen resignierenden Seufzen fuhr sie fort. »Das ist schade. Er hatte mir versprochen, nichts zu sagen. Es hätte so vieles leichter gemacht, nur noch eine kleine Weile zu schweigen.«
    »Du hast ihm dieses Versprechen abgepresst«, behauptete Sarn, »oder ihn mit deinen Hexenkräften dazu gebracht, es dir voreilig zu geben. Was wolltest du damit erreichen? Hat dir das, was du ihm angetan hast, immer noch nicht gereicht? Du hast ihm das Leben gerettet, aber vielleicht wäre es besser gewesen, du hättest es nicht getan.«
    Ganz kurz blitzte es so wütend in Leas Augen auf, dass Sarn zusammenfuhr und sich Grahl sichtbar spannte, dann aber erlosch ihr Zorn ebenso plötzlich, wie er gekommen war, und machte einem Ausdruck mindestens ebenso tiefen Bedauerns Platz. »Vielleicht wäre es besser gewesen, wir wären überhaupt nicht hierher gekommen«, murmelte sie, aber nicht als Antwort auf Sarns Worte, sondern nur an sich selbst gewandt, und so leise, dass Arri nicht einmal sicher war, dass der Schamane und sein Begleiter die Worte überhaupt hörten. Nach einem neuerlichen Zögern, fuhr sie lauter und in verändertem, nunmehr um reine Sachlichkeit bemühtem Ton fort: »Das ist deine Meinung, Sarn. Ich glaube, dass es richtig war, und ich glaube auch, dass mein Vorhaben von Erfolg gekrönt sein wird.«
    »Und wenn nicht?«
    »Eben - und wenn nicht«, erwiderte Lea. Sie schüttelte den Kopf. »Gib mir, Kron und Achk nur ein paar Tage Zeit. Sollte ich scheitern, verliert ihr alle nichts, im Gegenteil: Du kannst jedem sagen, du hättest es gleich gewusst und wärest von Anfang an dagegen gewesen. Sollte ich Erfolg haben, profitieren alle davon. Und du, Sarn, kannst hinterher immer noch behaupten, es wären nur meine Hexenkräfte gewesen.« Ihre Stimme veränderte sich ein ganz kleines bisschen, kaum hörbar, und doch schwang etwas darin mit, das Sarn noch ein bisschen blasser werden ließ, auch wenn Arri dies vor wenigen Augenblicken noch gar nicht für möglich gehalten hätte.
    »So oder so«, fuhr sie fort, »bist du auf jeden Fall gut beraten, nichts zu tun, bis Rahn zurück ist. Vermutlich könntest du mich daran hindern, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, doch dann gäbe es immer welche im Dorf, die sich fragen würden, ob du es vielleicht nicht nur getan hast, weil du Angst hattest, ich könnte Erfolg haben. Warte einfach ab und lass mich gewähren, und du kannst nur gewinnen.«
    Arri verstand mittlerweile rein gar nichts mehr. Zwar war ihr klar, dass es irgendetwas mit dem zu tun hatte, weswegen ihre Mutter Rahn fortgeschickt hatte, und wohl auch mit Grahls Bruder und dem blinden Mann, aber nichts davon schien in diesem Moment irgendeinen Sinn zu ergeben. Darüber hinaus kreisten ihre Gedanken um ein vollkommen anderes Thema. Die Spuren, die Sarn erwähnt hatte. Die Fremden, von denen Grahl behauptete, sie hätten ihn und seine beiden Brüder so grundlos angegriffen, und an deren Existenz ihre Mutter so offensichtlich nicht glaubte. Sie hätte es ihr sagen können. Sie hätte es ihr schon vor drei Tagen sagen müssen. Es waren keine Gerüchte, und es waren auch nicht nur Spuren. Die Fremden waren hier. Arri hatte mindestens einen von ihnen gesehen, und auch wenn dieser eine ihr das Leben gerettet hatte, sagte das rein gar nichts über ihre Ziele aus. In ihr sträubte sich alles, dem Schamanen Recht zu geben, aber in diesem einen Punkt hatte er es womöglich. Warum schwieg sie? Warum hatte sie bislang nichts gesagt?
    Arri spürte, dass dies vielleicht ihre unwiderruflich letzte

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