Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
ihnen, die hier aufgetaucht ist. Mittlerweile sind es aber viel mehr.«
»Ja, wir müssen sie unbedingt im Auge behalten«, pflichtete ihm Orakar bei. Er hätte auch noch mehr dazu sagen können. Aber das wollte er jetzt nicht.
»Ich verstehe das nicht«, setzte Gorak nach. »Als ich vor kurzer Zeit in Goseg war, habe ich jemanden durch den hinteren Ausgang, also durch die Palisaden, weghuschen sehen. Er hatte einen Umhang übergeworfen. Aber ich habe ganz deutlich erkennen können, dass er zu den Barbaren gehört hat. Er hatte einen langen, ungepflegten Bart, der gewiss noch kein Rasiermesser gesehen hatte. Und unter dem Mantel trug er keine solche Kleidung, wie wir sie tragen, sondern er war in Fell gekleidet.«
Orakar seufzte und setzte das Sehrohr wieder an. »Ja, es wird Zeit, dass wir das zu Ende bringen. Es ist nicht gut, wenn die Mächtigen von Goseg zerstritten sind …« Er unterbrach sich selbst und hob die Hand. »Sag den Männern Bescheid«, zischte er. »Es geht los. Nor ist endlich aufgetaucht! Unglaublich … er hat den Weg bis hierhin tatsächlich geschafft!«
»Also gut, Leute«, Gorak drehte sich zu den anderen um. »Ab jetzt dürft ihr niemanden – aber ganz gewiss überhaupt niemanden mehr – bis zur Schmiede durchkommen lassen!«
Kapitel 23
Sowohl das Donnergrollen als auch das Heulen des Sturmes waren im Inneren des Stollens zu einem wehklagenden Laut geworden, der schmerzhaft in ihren Ohren nachhallte. Die abgestandene, muffig riechende Luft, die ihnen entgegenschlug, wurde kräftig durcheinandergewirbelt, was es aber leider auch nicht besser machte. Der scharfe Luftzug zerrte an ihrer Haaren und ihrer Kleidung, mit seinem Jammerton aber auch an ihren Nerven. Als die zusammenbrechende Hütte in ihrem Rücken schon nach erschreckend kurzer Zeit von den entfesselten Naturgewalten zerfetzt wurde, blies ihnen eine Sturmbö Splitter und eine erstickende Staubwolke in den Stollen hinterher. Lexz taumelte, als er von mehreren heftigen Windstößen getroffen wurde, und wäre fast zu Boden gegangen.
Danach wurde es etwas erträglicher.
Wunderbar, dachte Lexz, wenn wir hier gleich irgendwo rauskommen, wo wir nicht sofort wieder umgeweht werden.
Es sah aber nicht danach aus, als ließe sie der Stollen so schnell wieder frei. Die Vorstellung, weiter in die steinerne Unterwelt hinabzusteigen, die sie wie störende Fremdkörper vollständig verschlucken wollte, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Er hasste dunkle Höhlen, und noch viel unheimlicher waren ihm enge und stickige Gänge und Stollen, die ihm das Gefühl gaben, in einer Gruft unterhalb eines großen Steinkreises lebendig begraben zu sein.
»Weiter jetzt«, trieb ihn Ekarna an, als er eher langsamer als schneller wurde und sie mal wieder beinahe vor ihm selbst merkte, was mit ihm los war. »Wir müssen an den anderen dranbleiben. Sonst wird es gleich stockfinster.«
Damit hatte sie leider recht. Er versuchte das Schwindelgefühl zu verscheuchen, das ihn schon beim Betreten des Stollens überfallen hatte, und war bemüht, aus seinem unsicheren Torkeln etwas zu machen, was entfernte Ähnlichkeit mit einem energischen Vorwärtsgehen hatte. Das spärliche und völlig ungenügende Fackellicht zeichnete huschende Schatten auf die rauen, unbehauenen Wände, die teilweise so eng zusammenliefen, dass sie sich regelrecht hindurchquetschen mussten, um dann wieder auf doppelte, manchmal dreifache Mannesbreite auseinanderzuweichen. Lexz hatte keine Ahnung, was dies hier sein sollte. Es sah weniger wie der Eingang zu der Höhle aus, als vielmehr wie ein Bergwerksstollen. Aber er verstand viel zu wenig davon, um das wirklich beurteilen zu können.
Erst nach einer Weile begriff er, dass sich die einzige Fackel, die es hier gegeben hatte, in Abdurezaks Händen befand. So alt und gebrechlich der Älteste auch wirkte, so kräftig schritten er und sein nicht minder alter Bruder jetzt aus. Vielleicht kam es Lexz aber auch nur so vor, weil sie und die anderen bereits einen ganz schönen Vorsprung hatten und er sich mehr Zeit ließ, als gut war – und damit nicht nur sich, sondern auch die Raubkatze ausbremste, die ohne ihn gewiss schon längst zu den anderen aufgeschlossen hätte.
Sein Wunsch, diese unerträgliche Enge möglichst bald hinter sich lassen zu können, erfüllte sich leider nicht, ganz im Gegenteil. Es schien endlos so weiterzugehen, mal ein bisschen nach oben, dann wieder abwärts, mal mit einem leichten Knick nach rechts, öfter aber
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