Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
verwandeln.
Isana. Auch nach drei Sonnenwenden hatte sie sie noch nicht vergessen. Wie sollte sie auch! Ihr irrer Blick, die hasserfüllten Worte, die sie ausgestoßen hatte – und dass sie dann nach dem Kampf am Bach plötzlich verschwunden war, als hätte die Dunkelheit sie verschluckt. Ihnen allen war es so vorgekommen, als sei sie in diesem Augenblick mehr ein Dämon als ein Mensch gewesen.
Ihnen allen – das bedeutete, wie sie sich selbst schaudernd eingestehen musste, doch letztlich nur: Lexz und ihr selbst. Alle anderen waren tot. Amar und seine Krieger, ebenso wie Larkar, der Speer, der sein eigenes Leben geopfert hatte, um seinen Freund Lexz zu retten. Es war alles so unwirklich gewesen, und trotzdem hatten sich einzelne Szenen des Kampfes genauso in ihr Gedächtnis eingegraben wie die Tränen, die Lexz’ Wangen hinabgelaufen waren, als er den Kopf seines sterbenden Freundes in seinem Schoß gehalten hatte.
Als ein Lachen an ihr Ohr drang, schaffte es Arri endlich, sich von diesen düsteren Gedanken zu lösen. Sie atmete tief durch und beschleunigte abermals ihre Schritte.
Als sie um die nächste Ecke kam, erwartete sie ein ganz und gar ungewöhnliches Bild. Lexz und Zakaan hockten einträchtig nebeneinander auf der kleinen, tiefer angelegten Anlegestelle vor der Hütte der Ältesten und ließen die Füße im Wasser baumeln. Arri blieb stehen und atmete die frische Luft tief ein. Es tat so gut, Lexz zuzusehen. Zwei Sonnenwenden hatte sie sich noch mit aller Kraft dagegen gewehrt, bis sie dann endlich hatte zulassen können, dass er Einzug hielt – in ihr Herz. Doch jetzt, da sie ihn so sitzen sah, das Gesicht gelöst und entspannt und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, spürte sie, wie sie von etwas durchströmt wurde, das bislang nur Dragosz vorbehalten gewesen war.
Tiefe Liebe.
Die beiden ungleichen Männer wirkten so sehr in ein Gespräch vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, wie sich Arri auf Zehenspitzen anschlich.
»Ich hätte nie gedacht, dass die Sache mit den vergoldeten Krügen gelingen könnte«, sagte Lexz gerade vergnügt. »Aber dadurch, dass wir sie jetzt so gut haben tauschen können, haben wir nun plötzlich mehr Kupferbarren und Erzklumpen als Kenan bis zu seinem Lebensende verarbeiten kann.«
»Nun, das hängt auch davon ab, wie sich Rar anstellt«, antwortete der Schamane mit seiner knarrenden Altmännerstimme. »Ich war ja erst dagegen, dass du ihm erlaubt hast, seine Ausbildung bei dem Schmied fortzusetzen. Aber inzwischen macht er sich recht gut, das muss man ihm lassen.«
»Ja, Rar ist ein wichtiges Mitglied unserer Gemeinschaft geworden«, pflichtete ihm Lexz bei. »Und ganz im Ernst: Wer sonst würde es schon mit dem Griesgram Kenan aushalten?«
Ein dunkler Schatten lief über das von Furchen durchzogene Gesicht des Schamanen. »Ja, da hast du wohl recht. Kenan wird wohl niemals verwinden können, was seine Tochter getan hat.«
»Das ist ja auch kein Wunder … he!« Lexz richtete sich auf und winkte begeistert, als Torgon den Einbaum mit ein paar kräftigen Ruderschlägen in seine Richtung dirigierte. »He, Kyrill! Bist du wieder auf großer Fahrt?«
Er und Kyrill verstanden sich prächtig, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil Arri manchmal gar nicht hätte sagen können, wer von den beiden der größere Kindskopf war.
Aber Kyrill hatte nur Augen für Arri. Das war ja auch kein Wunder. Gerade stand sie mit vorgestreckten Händen in einer etwas lächerlichen Pose hinter Lexz.
Kyrill gluckste, wie das nur Dreijährige können. »Da ist deine Mama!«, rief Torgon und winkte Arri zu.
Arri blieb mitten im Schritt stehen. Es war ja schön, dass sie es fast geschafft hätte, sich ganz nah an Lexz anzuschleichen, um ihm von hinten die Hände über die Augen legen und ihn ein bisschen erschrecken zu können. Aber musste dann ausgerechnet wieder einmal Torgon seinem Ruf alle Ehre machen, dass er nicht nur mit seinem Hammer grob dazwischenfahren konnte, wenn es nötig war, sondern auch sonst kein Fettnäpfchen ausließ?
»Arri!« Lexz riss die Füße aus dem Wasser, dass es nur so spritzte, sprang auf und drehte sich zu ihr um. »Endlich!«
Ohne ihr auch nur im Geringsten die Möglichkeit zu geben, ihn zu begrüßen, packte er sie und zog sie an sich heran. Sie hatte ihm schon unzählige Male gesagt, dass er sie nicht so fest drücken sollte, aber das hinderte ihn keineswegs daran, sie so an sich zu pressen, dass sie das Gefühl hatte, gleich müsse in
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