Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Himmelsscheibe gesprossen ist.«
»Dragosz und ich haben uns das Grab vor ein paar Tagen einmal näher angesehen«, nahm Abdurezak den Faden wieder auf. »Und zu unserer großen Überraschung sind wir dort auch auf die Himmelsscheibe gestoßen. Wir haben sie dann Kenan anvertraut. Er sollte sie aufarbeiten, und danach wollte sie Dragosz seiner Frau Arianrhod überreichen. Aber das ist ja dann leider nicht mehr möglich gewesen.«
Lexz starrte ihn an. Er war nicht nur verwirrt, er war vollkommen durcheinander.
Nor, der inzwischen in sich zusammengesackt war, als wenn er tot wäre, hatte das Gespräch vielleicht verfolgt, vielleicht hatte er es in seinem Dämmerschlaf aber auch nicht mitbekommen. Jetzt allerdings kam wieder Leben in ihn. Er legte den Kopf so auf die Seite, dass von vorne etwas Licht auf ihn fiel. Er sah aus, als sei er bereits vor langer Zeit gestorben: bleich und hohlwangig und vollkommen haarlos. Seine Gesichtszüge wirkten dennoch auf ganz eigentümliche Art entspannt, wie bei Zakaan, wenn er sich vollkommen in seiner Mitte fühlte. Das Auffälligste aber waren seine Augen: Sie blieben hart, kalt wie Glas und fast ohne Leben.
»Nun ist aber endgültig Schluss mit dem Gerede«, befahl er barsch. »Geht jetzt und holt mir die Heilerin. Und beeilt euch! Ich möchte nicht tot sein, bevor ihr wiederkommt!«
Kapitel 24
Die Wolken ballten sich wie eine große Faust über ihr zusammen, aber Arri fühlte sich von ihnen weniger bedroht als vielmehr beschützt. Ihr ganzen Denken und Fühlen war auf das ausgerichtet, was vor ihr lag. Und das gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen verschmolz ihr Instinkt mit ihrer Umgebung, mit jeder kleinen Unebenheit, mit jeder Pfütze, jedem Stein, jedem Grashalm und jedem noch so kleinem Busch. Zum anderen sah sie Isanas Gesicht vor sich: fröhlich, lachend, ihr zugewandt. Aber auch zerschlagen, gedemütigt und voller Schmerz.
Ich befreie dich, Isana, schwor sie sich. Halte aus!
Und doch – Arri hasste Taru nicht, sie verabscheute ihn nicht einmal. Eher brannte der heiße Wunsch in ihr, diesen brutalen Kerl endlich in die Schranken zu verweisen. Ihr war klar, dass die nächste Begegnung mit ihm nicht ohne Kampf abgehen würde. Taru würde zwar in jedem Fall ihr Schwert zu schmecken bekommen, aber es wäre besser für ihn, wenn er sich rechtzeitig ergab, bevor sie ihn gleich an Ort und Stelle erschlug.
Was sie ja immer noch tun konnte. Vielleicht wäre dies sogar besser. Auch wenn er Dragosz’ Sohn und allein deshalb für sie unantastbar gewesen war. Bislang. Aber damit war es jetzt vorbei: Bei aller äußerlichen Ähnlichkeit war Taru alles andere als das Abbild seines Vaters. Die dunkle Seite in ihm hatte inzwischen viel zu viel Macht über ihn gewonnen. Wenn er sich nicht ganz von der Boshaftigkeit und der Brutalität abwandte, die ihn innerlich zu zerfressen drohten, war es doch besser, er wäre tot und die Geier fraßen ihm das Fleisch von den Knochen.
Arri erschrak ein wenig über diesen Gedanken, aber auch wirklich nur ein wenig. Inzwischen war so viel geschehen, dass sie sich auch vorstellen konnte, einen Mann zu töten, der in seinen besten Augenblicken wie eine jüngere Ausgabe von Dragosz aussah.
Sie griff das Schwert fester und beschleunigte ihre Schritte. Vielleicht war es das, was ihre Mutter gemeint haben mochte, als sie gesagt hatte, sie werde das Geheimnis des Schwertes eines Tages noch am eigenen Leib spüren. Es war nicht nur die geheime neue Legierung, aus der es geschmiedet worden war, und die härter als Kupfer und Bronze sein sollte, viel härter. Das Schwert war in einer Schmiede angefertigt worden, die inmitten der inzwischen in Sturmfluten untergegangen Tempelanlage ihrer Ahnen gelegen hatte.
Dies vor allem war es, was dem Schwert innewohnte: diese ihm ganz eigene, unbändige Kraft, die eine Waffe erfüllen konnte – und die nun ebenso von ihr ausstrahlte wie die Wärme von einem Stein, den die Hochsommersonne gewärmt hatte.
Ein Teil dieser Kraft ging sogar auf sie über, fing an, sie zu durchdringen. Und mit ihr kam eine Klarheit und Entschlossenheit über sie, wie sie sie schon lange vermisst hatte.
Dazu durfte sie aber keinen Augenblick in ihrer Wachsamkeit nachlassen. Und das fiel in diesem Tal, in dem sie den Atem der Götter wie einen Hauch spürte, der alles erfüllte, gar nicht so leicht. Die Monolithen, die bislang ein Symbol der Unvergänglichkeit und des Versuchs für sie gewesen waren, den Göttern ein kleines Stück
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