Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
war oben in der Schmiede bei Nor geblieben, aber der Schamane hatte ja unbedingt mitkommen müssen. Lexz wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war. Er hätte sich bei nächster Gelegenheit gerne einmal in aller Ruhe mit dem Schamanen besprochen, aber den alten Mann, der offensichtlich am Rande seiner Kräfte war, auf diesen Erkundungsgang mitzunehmen, das war einfach nicht richtig.
»Wir alle brauchen sie«, fuhr der Schamane mit seiner heiseren, brüchigen Stimme fort. »Und die Mittel, die sie in ihrer Hütte hat.«
»Wenn es die Hütte noch gibt«, wandte Torgon ein. »So, wie ich das verstanden habe, hat der Sturm das Dorf geradezu auseinandergenommen.«
»Selbst wenn das so wäre«, beharrte der Schamane, »hätten wir gar keine andere Möglichkeit, als Isana schnell aufzutreiben. Das Runzelkraut ist mit Sicherheit die wichtigste Zutat zu dem Heilmittel. In dem Grab lagen aber noch die vertrockneten Blüten von zwei weiteren Heilpflanzen. Ich habe sie mir angesehen und weiß daher ziemlich genau, um was … um was es sich handelt … und Isana weiß sicherlich, wo man die Pflanzen findet …« Er brach keuchend ab und schwankte zur Seite.
Ekarna machte einen Satz auf ihn zu und umklammerte ihn, bevor er stürzen konnte. »Zakaan!«, rief sie. »Was ist mit dir?«
Der Schamane wollte sie von sich wegstoßen und versuchen, wieder von selbst auf die Beine zu kommen. Aber Ekarna ließ nicht locker – und das war auch richtig so, fand Lexz. Dass der Schamane vollkommen am Ende seiner Kräfte war und es sich selbst nur nicht eingestehen wollte, war offensichtlich. Er selbst war nahe daran, Ekarna zur Hilfe zu kommen, ließ es dann aber.
Die Raubkatze würde die Situation nicht nur allein meistern, es wäre vielleicht auch gar nicht klug gewesen, schon wieder ihre Nähe zu suchen – und sei es nur, um den widerspenstigen und wild vor sich hinbrummelnden Schamanen gemeinsam zu zähmen. Seine Gefühle für Isana mussten ein Stachel in ihrer Seele sein. Wäre er vorher wegen seiner Sorge um sie nicht so blind gewesen, hätte er merken können, dass die Raubkatze eifersüchtig war.
Bis zu seinem Zusammentreffen mit Isana hatte er aber wirklich nicht gewusst, dass Ekarna so viel für ihn empfand. Während er auf einen Felsabsatz trat und auf eine Biegung hinunterblickte, hinter der eine locker bewaldete Landschaft begann, die von mehreren kleinen Bächen durchschnitten wurde, fragte er sich, was wohl geschehen wäre, hätte er schon früher eine Ahnung von ihren Gefühlen gehabt. Gewiss, sie waren ein, zwei Mal miteinander im Heu gewesen, und sie hatten dabei gut aufgepasst, dass es genau zu der Zeit geschah, in der Ekarna nicht empfänglich war – aber viel Gefühl war dabei nicht im Spiel gewesen.
So hatte er geglaubt.
Dabei war es Ekarna, die ihm nach Larkar ohne jeden Zweifel am nächsten stand. Nur seltsam, dass er das immer für vollkommen selbstverständlich hingenommen hatte. Er empfand eine tiefe Zuneigung zu der Raubkatze, und außer Larkar gab es keinen anderen Menschen, dem er so sehr vertraute wie ihr.
»Nun lass endlich ab!«, schimpfte Zakaan hinter ihm, und er begriff, dass er und Ekarna immer noch ihren merkwürdigen Kampf aufführten, bei dem keiner nachgeben wollte. Wenn er dem zusah, bezweifelte Lexz, dass der Schamane jemals einfach so an Altersschwäche sterben würde. Mit seiner Hartnäckigkeit trotzte er dem Tod – und rang ihm dabei Jahr für Jahr ab.
Das war wahrscheinlich die einzige wirkliche Gemeinsamkeit zwischen ihm und Nor. Sonst aber waren die beiden so verschieden, wie es ein Hohepriester und ein Schamane nur sein konnten. Nor war ein Machtmensch, wie selbst in seinem erbärmlichen Zustand oben in der Schmiedehütte zu spüren gewesen war. Zakaan dagegen war es niemals um Macht gegangen, ihn hatte immer nur die Sorge um sein Volk angetrieben.
»Pass auf«, sagte Ekarna. »Wenn ich dich jetzt loslasse …«
Sie kam nicht mehr dazu zu sagen, was geschehen würde, wenn sie den Schamanen losließ. Ein hässliches Zischen ertönte hinter Lexz … und dann ein noch hässlicherer Aufprall.
Lexz drehte sich herum. Ungläubig starrte er auf die Raubkatze, die rückwärts taumelte, genau auf ihn zu. In ihrem Hals steckte ein Pfeil.
Lexz war so erstarrt, dass er die Arme fast zu spät hochriss, um Ekarna aufzufangen. Die Raubkatze prallte gegen ihn und hätte ihn fast von den Füßen gerissen. Lexz spürte die vertraute Wärme ihres Körpers, und dann spürte er, wie sie sich
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