Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
und allerlei Kleinodien. Ihre Keramik war reich verziert gewesen, und ein begehrtes Handelsgut, das sie gegen Bronzebarren oder Erz hatten eintauschen können.
Eine glückliche Zeit. Und jetzt? Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als sich für die große wichtige Aufgabe zu sammeln, die vor ihm lag. Und sich dafür auch auf die Kraft zu besinnen, die ihm die erschöpften, vom Schicksal geschundenen Menschen seines Volkes gaben, die zum ersten Mal seit Langem ein halbwegs bequemes Nachtlager gefunden hatten.
Das Lager lag ein gutes Stück unter ihm, klug gewählt an einer Stelle, an der ein Felshang Schutz auf der einen Seite versprach, und auf der anderen verdeckte ein üppig zugewucherter Hang die Sicht auf sie selbst; zudem sprudelte ganz in der Nähe beständig frisches Wasser aus einer Quelle – ein Luxus, der ihnen während der großen Wanderung nicht ein einziges Mal vergönnt gewesen war. Zakaan wusste, dass sich die anderen auf den weichen Waldboden gebettet hatten, und dass sie dort besser und länger schlafen würden als auf dem harten ausgetrockneten Untergrund, mit dem sie in letzter Zeit viel zu oft hatten vorlieb nehmen müssen. Doch er ahnte auch, dass Ragok bereits lange wach war und zu ihm nach oben starrte, um sich dann durch den kunstvoll gerichteten Bart zu fahren, den Kopf zu schütteln und in die Richtung zu blicken, in der sie alle miteinander Urutark vermuteten. Er spürte die Nähe seines Herrschers und die der anderen Menschen, seiner Menschen, seines Volkes, für das er sich viel verantwortlicher fühlte, als es irgendein anderer je vermocht hätte – Ragok selbst einmal ausgenommen.
Er wusste und spürte dies alles – und doch war es ihm so fern, dass es ihm seltsam fremd vorkam.
Die Wirklichkeit war inzwischen jedenfalls eine andere: das sachte Kribbeln in seinen Fingern, die von Rauchkraut satt geschwängerte Luft, das rituelle Murmeln der drei Männer, die versuchten, die bösen Geister auch ohne das bunte Treiben von Tänzern und Trommlern zu vertreiben, die feierliche, gelöste Stimmung, die ihn ergriff, nachdem er sich durch das Fleisch der Götter in einen Zustand der Empfängnis versetzt hatte. Und der Mond, der als Sichel so groß und deutlich sichtbar über dem Tal hing, als wäre er nicht viel ferner als einen Pfeilschuss.
Mit der Sonne, die ein Stück weiter weg über den Bäumen aufgehen würde, war es etwas anderes. Obwohl es wieder ein heißer Tag werden würde, wärmte sie noch nicht. Und doch brodelten schon jetzt die Kräfte des Feuers in ihr, mit dem sie über die Welt gekommen war, als würde sie sie bis zum letzten Winkel ausbrennen wollen. Die Sonne war ein Gott mit zwei Gesichtern. Lebensspender nannten ihn die Menschen, wenn er ihnen die notwendige Wärme schenkte, Verderber flüsterten sie dagegen hinter vorgehaltener Hand, wenn sie mit unbarmherziger Kraft auf die Wiesen und Äcker niederbrannte, bis alles verdorrt und vertrocknet war.
Ein Schwarm Vögel stob über die Bäume hinweg, und Zakaan spürte den Freiheitsdrang, der sie erfasst hatte. Doch statt in den Himmel hinaufzusehen, in dessen Unendlichkeit der Schwarm entschwand, sah er auf die Erde hinab. Sie war feucht und satt, nicht so hart und ausgetrocknet wie der Boden, über den sie sich viel zu lange vorwärtsgequält hatten. Langsam und vorsichtig senkte er die Hände. Er spürte seine Arme kaum. Sie waren so schwer, als wären sie mit Steinen gefüllt, und doch hatte er keine Mühe, sie langsam und vorsichtig zu bewegen.
Als seine Fingerkuppen die weiche, von Tannennadeln spärlich bedeckte Erde berührten, verstärkte sich das Kribbeln. Zakaan stöhnte auf. Das Murmeln der Männer, die um ihn herum saßen, wurde lauter und dabei so eindringlich, als spürten sie, wie nahe er dem Übergang war. In Ermangelung von Trommeln begannen sie jetzt auf den Boden zu klopfen und mit den Füßen aufzustampfen.
Zakaans Augen fielen ihm von selbst zu, seine Empfindungen verengten sich weiter, blendeten alles aus, was um ihn herum geschah. Er war nicht müde und nicht wach, er war in Trance – und auch wieder nicht. Er saß auf dem alten Fuchsfell, das er seit seiner Jugend besaß, und saß doch nicht darauf … weil er sich ganz leicht mit den Fingerspitzen hochdrückte, weil er sich ablöste aus der Wirklichkeit, weil er schon fast schwebte …
… und in etwas eintauchte, das er lange nicht gesehen hatte. Grünes, durchbrochenes Licht, das Summen von Insekten …
Es war eine andere Welt, die er
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