Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
können, um mit ihrer Hilfe den Sieg zu erringen!«
Zakaan hatte nur genickt, während sich Ragok weiter umgesehen hatte, um zu entscheiden, wo sie für die nächsten Nächte lagern und vielleicht sogar ein paar einfache Hütten errichten konnten. Es war beschlossene Sache, mit allen weiteren Schritten auf die Rückkehr der Kundschafter zu warten, die sowohl nach Urutark als auch nach Arianrhod und der Himmelsscheibe Ausschau halten sollten. Und fast noch wichtiger für eine glückliche Wendung ihres Schicksals war, dass er sich selbst mit dem Geist der Stammväter verband und mit ihnen um das künftige Schicksal seines Volkes rang, bevor sie sich auf das Abenteuer einer Auseinandersetzung mit Dragosz einließen.
»Also geh nach oben, lass dir von allen verfügbaren Männern und Frauen helfen, und baut einen Steinkreis«, befahl Ragok. »Und lasst euch nicht zu viel Zeit damit. In den nächsten Tagen stehen große Entscheidungen an.«
Zakaan war der Aufforderung gefolgt, so gut es ging. Sie hatten bereits etliche Findlinge zusammengetragen, den Steinkreis selbst aber mit den wenigen helfenden Händen, die ihnen zur Verfügung standen, noch nicht errichten können. Es fehlte ihnen an allem, an Trommeln, Rasseln und Pfeifen, an der farbenfrohen Kleidung, die auf ihren heimatlichen Webstühlen gefertigt wurde: mit den Bronzeknöpfen und den Vasennadeln, mit denen die weiten Obergewänder der Tänzer zusammengehalten wurden, die sich bei Drehbewegungen so sehr aufblähten, als würden sie jeden Augenblick von einem Windzug davongetragen werden. Vor allem aber mangelte es ihnen an Menschen, die zupacken konnten und sich in den Dienst des Ritus stellten. Die meisten Männer und Frauen waren damit beschäftigt, das zusammenzutragen, was fürs Überleben notwendig war: Nahrung und Baumaterial für die einfachen Hütten, die eigentlich eher Zelte waren: auf die Schnelle mit allem errichtet, was sich in der unmittelbaren Umgebung auftreiben ließ.
»Wir müssen siegen«, hatte Ragok zu ihm gesagt und ihn an der Schulter gepackt, als wolle er ihn durchschütteln. »Verstehst du das? Wir müssen einfach siegen!«
Es lagen gleichzeitig Schwäche und Stärke in seiner Stimme, und ein unduldsamer Unterton, der Zakaan hatte erschaudern lassen.
»Ich werde meinen Sohn Lexz mit ein paar Männern losschicken. Sie sollen nach Urutark Ausschau halten – und nach meinem Bruder.« Das letzte Wort spie Ragok aus, und es lag der ganze Hass darin, den er seinem jüngeren Bruder Dragosz gegenüber empfand.
»Und sie müssen auch nach der Himmelsscheibe Ausschau halten«, gab Zakaan zu bedenken. »Die Stammväter haben mir aufgetragen, nach ihr zu suchen – und nach der Frau, die sie jetzt in ihrem Besitz haben soll …«
Ragok hatte ihn wieder losgelassen, und als sich der Schamane an den hasserfüllten Blick seines Herrschers erinnerte, fand er in die Wirklichkeit zurück.
Er atmete tief durch. Wie hatte das alles nur geschehen können? War es wirklich richtig gewesen, trotz der Dürre so lange in der alten Heimat auszuharren, statt mit Dragosz’ Leuten gemeinsam aufzubrechen?
Er wusste es nicht. Damals, nach dem heftigen Streit zwischen Ragok und Dragosz, war ihm alles ganz anders erschienen. Sie hatten geglaubt, einfach ein Stück weiter nach Westen ziehen zu müssen, um in Urutark wieder an ihr altes Leben anzuknüpfen.
Was für eine Fehleinschätzung. Erst auf der Wanderung war ihnen dann klar geworden, wie gut ihr altes Leben gewesen war – und wie unerreichbar fern es war. Statt sich wie in letzter Zeit auf ein wechselhaftes Jagdglück und das Sammeln von Beeren, Früchten und Pilzen verlassen zu müssen, hatten sie damals hauptsächlich von dem leben können, was die üppigen Felder abwarfen, und was die Fischer im Fluss und in den nahegelegenen Seen fingen. Statt auf harter Erde zu nächtigen, hatten sie in gut gebauten Langhäusern gewohnt. Statt vor Durst fast wahnsinnig zu werden, hatten sie immer genug Trinkwasser in der Nähe gehabt.
Und nicht nur das. Die meisten Kinder, die geboren wurden, hatten die ersten gefährlichen Wochen überlebt, und nur wenige Mütter waren bei der Geburt gestorben. Die Gemeinschaft war ständig gewachsen, hatte neuartige Webstühle mit immer mehr Webgewichten gebaut, auf denen sich ihre Kleidung schneller als je zuvor hatte herstellen lassen. In ihrer geräumigen Schmiede hatten sie Waffen und Werkzeuge aus Bronze hergestellt, sowie Ringe, Rasiermesser, Halsschmuck, Gürtelschnallen
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