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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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sprach ganz leise. »Ich bewundere dich, Nike. Du bist die Frau, die ich immer gesucht habe. Ich - ich - liebe dich.«
    »Was reden Sie da.« Die andere fuhr herum. »Niemand liebt mich. Nur mein Vater hat mich geliebt.«
    Kyra sah, wie die Kleine vor dem Spiegel herumhantierte. An ihren Augen. Als ob sie sich Kontaktlinsen einsetzen
würde. Damit ich dich besser sehen kann... Kyra warf ihren Kopf auf der Matratze hin und her. »Ich war die ganze Zeit eifersüchtig auf Franz, weil du mit ihm ins Konzert gegangen bist.«
    »Ich werde Ihnen zuerst die Kehle durchschneiden. Wenn die Götter es wollen, spüren Sie den Rest nicht mehr.«
    »Nike, wir sind viel ähnlicher, als du denkst. Ich verstehe, was du getan hast. Ich verstehe alles.«
    »Ich werde Ihre Halsweichteile rundherum einschneiden. Und dann die Knorpelmasse zwischen zwei Wirbeln durchtrennen.«
    »Nike, erinnerst du dich noch, wie du nach unserem Besuch in der Rechtsmedizin gesagt hast, ich würde Leichen mögen? Du hattest Recht.«
    Panisch verfolgte Kyra aus den Augenwinkeln, wie die andere auf sie zukam. Weiß. Kahl. Mit schwefelgelben Augen. Und dem Messer.
    »Nike, tu es nicht«, schrie sie, »wir sind uns doch so ähnlich.« Und zuckte, als sie das Messer an ihrem Hals spürte. »Tu es nicht! Tu es nicht!«
    Mit gelbem Blick schaute die andere durch sie hindurch.
    »Pallas Athene, die ruhmvolle Göttin, will ich besingen -«
    »Nike. Du machst einen furchtbaren Fehler, du -« Kyra brüllte auf. Der erste Schnitt. Luft. Luft. Noch konnte sie atmen. Blut lief an ihrem Hals entlang in den Nacken.
    »Eulenäugig, vieles beratend, spröde im Herzen -«
    »Du machst dich unglücklich, wenn du mich umbringst.«
    »Züchtige Jungfrau, Städtebeschirmerin, mutig zur Abwehr -«
    »Du hast nur Männer getötet. Männer, die du retten wolltest. Deren Hirne du retten wolltest. Noch bist du unschuldig. Wenn du mich tötest, verlierst du die Reinheit -«
    Der zweite Schnitt. Er wäre tödlich gewesen, hätte das Messer nicht in letzter Sekunde gezögert.
    »Der Vater muss gerächt werden.«
    »Nein. Der Vater muss gerettet werden.« Das Messer blieb ruhig. Weitermachen. Nicht aufgeben. »Glaub mir. Du kannst deinen Vater retten. Geh zu ihm und rette ihn. Er will nicht, dass du dich seinetwegen befleckst. Du bist seine Tochter. Geh hinunter und rette ihn.«
    »Der Vater ist tot.«
    »Wenn du ihn rettest, wird er dich retten. Er wartet auf dich. Geh hinunter. Rette ihn. Und du wirst für immer befreit sein.«
    Der dritte Schnitt ging tiefer. Kyra schloss die Augen. Vielleicht war es gar nicht so schlimm zu sterben. Jetzt. Hier. Von dieser Hand. Tonlos bewegte sie die Lippen. »ANDRA MOI ENNEPE, MUSA, POLYTRONPON, HOS MALA POLLA -«
    Wenn sie noch gekonnt hätte, hätte sie gelacht. Odyssee. Odyssee. Die furchtbaren Griechen. Jahrelang damit gequält. Wie es plötzlich wieder hochkam.
     
    »Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes -«
     
    War es ihr Körper, der so zu beben begann? Es wurde still. Sie hörte eine leise ratlose Stimme:
    »Vater? Vater? Bist du das?«
    Schritte tappten vom Bett weg ins Zimmer hinein.
    »Vater? Bist du das? - Vater, wenn du es bist, sprich zu mir.«
    Noch einmal die Lippen bewegen. Noch einmal die alten Bildungstrümmer hervorkramen. »ANDRA MOI ENNEPE, MU-SA, POLYTRONPON, HOS MALA POLLA...«
    »PLANCHTHE, EPEI TROIES HIERON PTOLIETHRON EPERSE«,
kam es andächtig aus der Mitte des Raumes zurück. Kyra hörte, wie die Schritte weitertappten.
    »Ja, Vater. So haben wir stets gemeinsam gesprochen. Wie schön das immer war. - Wie? - Du willst, dass ich? - Bitte, Vater, nein, zwing mich nicht, das zu tun.«
    Sie schluchzte leise.
    »Nein. Nein. Bitte zwing mich nicht, das zu tun. - Ich kann es nicht. Ich will es nicht tun.«
    Schluchzen. Schluchzen. Stille.
    »Gut - Vater - wenn du es befiehlst - ich werde es tun - alles, was du befiehlst.«
     
    Und Nike Schröder ging hinab und trennte das greise Haupt ihres Vaters vom Rumpf und öffnete den Schädel und weinte, als sie die Höhle wiedersah, der sie vor neunzehn Jahren entsprungen war.

Epilog
    »Was möchten Sie gern trinken?«
    Die junge Frau, die seit dem Abflug in Frankfurt ununterbrochen aus dem Fenster geschaut hatte, drehte ihren Kopf. »Ein Mineralwasser, bitte.«
    Die Stewardess wandte sich lächelnd an den Herrn, der den Gangplatz neben der leeren Mitte belegte.
    »Und was darf ich Ihnen bringen?«
    »Ist der Rotwein trocken?«
    »Ich kann Ihnen einen Bordeaux

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