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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Robert, Kurt, Gustav und Franz und hatten ihre Köpfe verloren.
    Es war einmal ein Mädchen, das hieß Nike und sammelte Hirne in Einmachgläsern.
    Es war einmal eine Frau, die hieß Kyra und stand im Schlafzimmer des Mädchens und zitterte.
     
    Sie schrie. Sie stolperte rückwärts. Sie stieß gegen das Bett, fiel nach hinten, auf die Laken, auf denen die Herzlose getrieben hatte, was immer sie getrieben hatte, wälzte sich hin und her, brüllte, trat die beiden Leuchter um, der Krach tat gut, sie sprang auf, rannte zur Tür hinaus, sie musste etwas finden, das noch mehr Krach machte, sie kam in ein
anderes Zimmer, dort stand ein Schreibtisch, ordentlich wie am ersten Tag, sie packte ihn und warf ihn um, Lärm, Lärm, mehr Lärm, es war nicht genug, sie ging zu den Regalen, rüttelte und schüttelte, bis ein Bücherregen auf sie niederging, dicke Schwarten, dünne Hefte, Ordner, alles stürzt, aber immer noch nicht genug Vernichtung, dort eine Tür, sie springt hin, Kleider, Legionen weißer Kleider auf weißen Bügeln, sie zerrt und reißt, trampelt durch das streng paarweise stehende Schuhregiment, bis auch dort nichts mehr in Ordnung ist, die Bettwäsche liegt linealvermessen in den Schüben, raus damit, Schluss damit, Verwüstung, Verwüstung!
    Schwer atmend lehnte sich Kyra gegen die Wand. Sie fühlte sich besser jetzt. Konnte wieder klar denken.
    Der Vogel war ausgeflogen, nach der letzten Tat davongeflattert. Aber wohin? Eine wie die Herzlose hatte keine Freunde, die sie versteckten. Eine wie die Herzlose hatte niemanden auf der Welt. Niemanden außer -
    Kyra ließ ihren Blick über das Chaos kreisen. Bis sie den sorgfältig beschrifteten Ordner gefunden hatte.
     
    »Bringen Sie mich in den Odenwald.«
    Der Taxifahrer schaute sie argwöhnisch an. »Sind Sie besoffen?«
    »Hier, sehen Sie, ich habe tausend Mark in bar. Wenn Ihnen das nicht reicht, nehmen Sie meinen Personalausweis als Sicherheit.«
    »Mit Junkies will ich nix zu tun haben.«
    Der Taxifahrer kurbelte sein Fenster hoch und gab Gas.
    »Du verdammter Wichser!« Mit gerecktem Mittelfinger rannte Kyra ihm einige Meter hinterher. Ihr Brustkorb begann wieder zu schmerzen. Die Schmerzen waren erst wieder da, seitdem sie das Geisterhaus verlassen hatte. Nein, das stimmte nicht. Sie waren auch dort die ganze Zeit da gewesen, nur hatte sie sie nicht gespürt.

    Kyra stopfte die tausend Mark, die sie am Bankautomaten gezogen hatte, in ihre Hosentasche und humpelte an den Rinnstein zurück.
    Es regnete nicht mehr so stark wie vorhin. Aber nass war sie ohnehin. Sie hatte ihre Lederjacke in der Küche der Herzlosen liegen lassen.
    In der Kurve tauchte das nächste Taxi auf.
    Sie sprang auf die Straße und wedelte mit der Deutschlandkarte, die sie an der Tankstelle gekauft hatte. Das Taxi bremste scharf. Kyra riss die Beifahrertür auf.
    »Ich muss nach Amorbach«, sagte sie.
    »Amobach«, fragte der indische Fahrer mit dem Turban so freundlich wie ratlos. »Miss gehen nicht gut?«
    »Doch, doch.« Kyra öffnete die hintere Tür und ließ sich auf den Rücksitz fallen. »Keine Angst, ich kotze Ihnen nicht die Sitze voll. Fahren Sie mich nur nach Amorbach. Ich sag Ihnen, wos langgeht.«
     
    »Miss? Miss?«
    Kyra schreckte aus dem wirren Halbschlaf, in den sie kurz hinter Berlin gesunken war, hoch.
    »Ja?«
    Sie hatte von ihren gebrochenen Rippen geträumt. Die Knochen hatten die Brust durchstoßen und ins Freie geragt. Es hatte nicht wehgetan.
    »Noch weit?« Der Fahrer äugte besorgt in den Rückspiegel.
    Sie schaute hinaus. Nacht. Wald. »Wo sind wir?«
    »Autobahn 9«, sagte er. »Sie gesagt, ich soll fahren Autobahn 9.«
    »Ja, aber ja«, murmelte sie beschwichtigend, »Sie haben alles richtig gemacht.«
    Sie wedelte mit den zehn nassen Scheinen, sodass er sie im Spiegel sehen konnte.
    »Das gehört alles Ihnen. Fahren Sie nur weiter.«

    Die Nacht wurde blau, dann rot, dann gelb, dann kamen sie in den Odenwald. Kyra rieb sich die Augen und schaute aus dem Fenster: Erlenbach, Klingenberg, Kleinheubach. Was für schöne Ortsnamen. Einen Moment überließ sie sich der glücklichen Fantasie, sie wäre fünf, der Mann da vorne mit dem Turban ihr Vater, und sie wären die ganze Nacht nur durchgefahren, damit sie am frühen Morgen ihr Ferienziel erreichten. Papi, Papi, hast du die Sandförmchen eingepackt?
    Kyra strich den durchweichten, wieder getrockneten und zerknitterten Meldezettel glatt, den sie im Haus der Herzlosen gefunden hatte. Während der ganzen

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