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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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die sie in den Bewerbungsunterlagen gestolpert war, fiel Kyra plötzlich wieder ein.
    Der welke Mund krümmte sich vor Verachtung. »Selbstverständlich habe ich Nike nie auf eine Schule geschickt. Ich war lange genug im Lehramt tätig, um zu wissen, was für Anstalten des Verderbens unsere modernen Schulen sind. Ich habe beim Ministerium einen Sonderantrag gestellt. Und sie haben mir die Berechtigung, Nike selbst zu erziehen, erteilt.« Seine Züge wurden wieder sanfter. »Wir sind gereist, viel gereist. Monatelang durch ganz Griechenland, Italien, wir haben ein halbes Jahr in Sizilien gelebt, wir waren in Kleinasien -«
    »Ich glaube, das nennt man heute Türkei.«
    Er ruckte ärgerlich mit dem Kopf. »Von Monat zu Monat konnte ich verfolgen, wie Nike sich weiterentwickelte, wie sie immer perfekter wurde.«
    »Und was haben Sie mit ihr angestellt, als sie in diese bestimmten Jahre kam? In denen die Natur erwacht?«
    Er legte den Kopf in den Nacken. Wahrscheinlich hatte er die Augen geschlossen. Aber das konnte Kyra hinter den schwarzen Gläsern nicht sehen.
    »Es war die Phase in meinem Experiment, die ich am meisten gefürchtet hatte. Würde ich sie verlieren, oder würde es mir gelingen, sie der Natur zu entreißen?« Die Gläser hefteten sich wieder auf Kyra. »Ich verfolgte ihre körperliche Entwicklung genau. Von Anfang an hatte ich Nike einer strengen Leibeserziehung unterworfen. Da ich begriffen hatte, dass man den Körper niemals unterschätzen darf. Er kann diese schwierige Zeit nur meistern, wenn er vom ersten Augenblick an gelernt hat, sich dem Geist zu unterwerfen.«
    Kyra war aufgestanden. Der Raum begann sich zu drehen. Sie konnte nicht sagen, ob es die Schmerzen oder das Gehörte waren, was den Schwindel verursachte. Mit beiden Händen fasste sie sich an die Schläfen.
    »Eins verstehe ich nicht. Warum haben Sie Nike nach Berlin gehen lassen, wenn Ihre Vater-Tochter-Zweisamkeit so perfekt war.«
    »Nike musste fort von mir. Sie war alt genug, der Welt zu begegnen. Ich habe sie zum Studieren nach Berlin geschickt. Nicht, weil sie dort noch etwas lernen könnte. Aber sie musste sich an der Welt beweisen. Mein Experiment konnte nur erfolgreich sein, wenn es mir gelungen war, sie so stark zu machen, dass die Welt sie mir nicht mehr verderben konnte. - Und die Welt musste sehen, was für eine einzigartige Frau ich geschaffen habe«, fügte er stolz hinzu.
    Kyra nickte. Sie ging langsam im Zimmer auf und ab. »Ja. Ja. Ich glaube, das hat die Welt gesehen. Wenn auch ein bisschen anders, als Sie sich das vorgestellt haben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Die schwarzen Gläser schnellten dorthin, wo sie ihren letzten Satz gesprochen hatte.
    »Ich fürchte, Ihr Erziehungsprogramm hatte ein paar unerwünschte Nebenwirkungen.«
    Die Gläser folgten ihr. »Die Erziehung, die ich Nike habe angedeihen lassen, war perfekt«, schnarrte der Greis. »Sie war das zwingende Resultat von vierzig Jahren Studien und Erfahrung. Ich habe alles bedacht. Es war die beste Erziehung, die ein menschliches Wesen jemals genossen hat.«
    Kyra blieb stehen. »Männern die Köpfe abschlagen und Hirne in Einmachgläsern sammeln - war das auch Teil dieser besten Erziehung?«
    »Was reden Sie da!« Sein Kopf begann zu zittern.
    »Lesen Sie keine Zeitung?« Zu spät fiel Kyra ein, dass diese Frage sinnlos war. »Hören Sie keine Nachrichten?«
    »Selbstverständlich nicht. Hier gibt es kein Radio. Keinen Fernseher. Der Schmutz der Welt dringt in dieses Haus nicht ein.« Er zitterte heftiger.
    »Dann haben Sie also wirklich keine Ahnung davon, dass in den letzten Wochen in Berlin vier Männer geköpft wurden?
Und dass sich die Hirne dieser Männer im Schlafzimmer Ihrer einzigartigen Tochter befinden?«
    »Halten Sie den Mund. Versündigen Sie sich nicht an Nike.«
    Kyra packte ihn am Revers seiner grauen Strickjacke. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Ich weiß nicht, wo Sie diesen Bastard versteckt haben, aber ich schlage vor, dass Sie ihn auf der Stelle herrufen. Vielleicht kann Nike Ihnen ja selbst erklären, warum sie Hirne in Einmachgläsern sammelt.«
    »Lassen Sie mich los.« Er wand sich unter ihrem Griff. »Sie sind abartig.«
    Kyra schüttelte ihn. »Ich? Ich bin abartig?«
    »Nike ist gut. Nike ist rein. Ich habe alles richtig gemacht. Meine Erziehung war perfekt.« Er schnappte nach Luft.
    »Ihre Erziehung war ein Scheißdreck«, brüllte Kyra gegen sein Röcheln an. »Ihr Experiment ist schief gegangen. Gründlich. Was Sie

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