Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Segel und steuerte – die Wachen auf ihrem Posten und die Boote zum Abstoßen bereit – weiter aufs Meer hinaus. Doch auch dann kam in vierundzwanzig Stunden höchstens ein einzelner Spritzwal in Sicht und obendrein noch in einer Entfernung, die an seine Verfolgung gar nicht denken ließ.
Der »Saint Enoch« kam bei einer solchen Ausfahrt auch in die Nähe von Ayvu, einem kleinen Hafen der Westküste, wo der Pelzfellhandel schon eine große Ausdehnung gewonnen hatte.
Der Mannschaft gelang es da, einen jungen Walfisch mittlerer Größe – von der Art, die die Amerikaner »Krampseß« nennen – an das Schiff heranzubringen. Das Thier war schon todt gewesen und lieferte nicht mehr als sechs Faß eines Thranes, der dem des Pottwals sehr ähnlich ausfiel. Die bisherigen Erfahrungen Bourcart’s wiesen also leider darauf hin, daß die Ergebnisse der Campagne im Norden des Stillen Oceans annähernd gleich Null sein würden.
»Hätten wir jetzt schon Winter, sagte Heurtaux gelegentlich zum Doctor Filhiol, so könnte man wenigstens Robben jagen gehen. Vom October an erscheinen diese im Ochotskischen Meere in großer Menge, und ihr Fell bringt immer einen guten Preis.
– Leider, lieber Heurtaux, beginnt der Winter aber erst nach einigen Wochen, also zu einer Zeit, wo der »Saint Enoch« von hier fortgesegelt sein wird.
– Nun dann, Herr Filhiol, kommen wir freilich mit leerem Rumpfe… gleichsam mit leerem Magen zurück.«
Von der Bildung des ersten Eises an kommen verschiedene werthvolle Amphibien, Robben und andere, thatsächlich zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden, auf den Eisfeldern hier zum Vorschein. Während sie sich im Sonnenschein wärmen, sind sie leicht zu erlegen, so lange man die Thiere im Schlafe überrascht. Die Boote segeln dazu möglichst geräuschlos heran. Einige Leute betreten das Eis, packen das Thier an den kurzen Hinterfüßen und schleppen es nach dem Boote. Uebrigens sind diese Pelzrobben sehr scheu und haben sehr seinen Gehör-und sehr scharfen Gesichtssinn. Sobald einer darunter »Alarm schlägt«, kommt die ganze Gesellschaft in Aufruhr und flüchtet pfeilgeschwind unter das Eis.
Am 4. September fand der Lieutenant Coquebert noch einen todten Walfisch, schlang ihm die Schleppleine um den Schwanz und brachte ihn an das Schiff heran, wo er angelegt wurde, um am folgenden Tag ab-und ausgeweidet zu werden.
Der Ofen wurde also wieder geheizt und der ganze Tag auf das Ausschmelzen des Specks verwendet. Auffallend war es, daß das erst vor kurzer Zeit an der Seite verletzte Thier offenbar nicht durch eine Harpune verwundet war. Die Wunde schien vielmehr von dem Bisse eines Haifisches oder ähnlichen Raubfisches herzurühren. Der Wal lieferte übrigens nur fünfundvierzig Faß Thran.
Im Ochotskischen Meere wird der Fang gewöhnlich in anderer Weise betrieben, als in anderen Gegenden. Die von den Schiffen ausgesendeten Boote kommen hier oft erst nach fünf bis sechs Tagen zu diesen zurück. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß sie etwa die ganze Zeit über auf dem Meere blieben. Wenn sie nämlich des Abends an eine Küste kommen, werden sie ein Stück aufs Land hinausgezogen, um von der Fluth nicht etwa weggeführt zu werden. Deren Insassen errichten sich dann aus Gezweig eine leichte Hütte, verzehren noch ihr Abendbrod, ruhen dann bis zum Tagesanbruch aus – natürlich immer auf Schutz gegen Bären bedacht – und nehmen schließlich ihre Jagd wieder auf.
Mehrere Tage vergingen, ehe der »Saint Enoch« seinen Ankerplatz in der Finistobai wieder aufsuchte. Er steuerte inzwischen nach Norden bis in die Nähe des Fleckens Ochtosk, der einen vielbesuchten Hafen hat, doch lief das Schiff in diesen nicht erst ein.
Die auffällige Bewegung des Meeres wußte niemand zu erklären. (S. 117.)
Bourcart, der noch immer einige Hoffnung bewahrte, wollte nach der Seite der Halbinsel Kamtschatka vordringen, wohin die Wale vielleicht abgezogen waren, bis sie durch die Kurilenstraße und andere Wasserwege zwischen den Inseln der Gruppe das hohe Meer aufsuchten.
Dieselbe Absicht hatte den »Repton« hierhergeführt, der bis jetzt nur einige hundert Faß Thran an Bord hatte. Von einer frischen Südwestbrise getrieben, steuerte der »Saint Enoch« nach dem schmalen Theile des Ochotskischen Meeres, der zwischen der Halbinsel und der Küste Sibiriens liegt.
Nachdem er zwei bis drei Seemeilen vom Lande, etwa in der Höhe des kleinen Hafens Yamsk, eine passende Ankerstelle gefunden hatte, kam
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