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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Wassers nicht so lange gedauert. Und dann – es schien doch allen so – hatte man ein entsetzliches Schnaufen und ein Dröhnen vernommen, das sich von dem Geräusche ausströmenden Dampfes wesentlich unterschied.
    Mit dem wiedererscheinenden Tageslicht stieg der Nebel wie gestern in die Höhe. Der »Saint Enoch« war noch nicht zu sehen; freilich wehte auch nur ein ganz schwacher Wind. Gegen neun Uhr war dieser jedoch frischer geworden, und einer der Harpuniere meldete jetzt das Schiff im Südwesten und in guter Fahrt.
    Als es bis auf eine halbe Kabellänge herangekommen war, ließ Bourcart gegenbrassen, und die Boote schleppten den Wal neben die Bordwand, wo man diesem ein Tau um den Schwanz schlang und ihn damit festlegte.
    Das Abziehen des Speckes dauerte, da das Thier sehr groß war, fast den ganzen Tag. Am nächsten Morgen wurde der Schmelzofen angefeuert, und nach achtundvierzigstündiger Arbeit konnte der Böttcher Cabidoulin melden, daß hundertfünfundzwanzig Faß Thran gewonnen worden seien.
    Einige Tage später suchte der »Saint Enoch« einen anderen Ankerplatz in der Nähe der Küste Kamtschatkas auf. Die Boote gingen wieder zur Aufspürung von Walfischen hinaus. Ihr Erfolg blieb freilich gering: zwei kleine Thiere und drei andere, die schon todt gefunden wurden und die stark verletzte Seiten und zerrissene Eingeweide zeigten. Waren sie einem überaus heftigen Angriffe erlegen? Die Sache erschien höchst räthselhaft.
    Offenbar war das Glück dem »Saint Enoch« nicht länger günstig, und ohne den schlimmen Prophezeiungen Jean-Marie Cabidoulin’s zu viel Werth beizulegen, deutete doch alles darauf hin, daß diese zweite Campagne ziemlich fruchtlos verlaufen werde.
    Die Fangzeit näherte sich schon dem Ende. In den sibirischen Gewässern dehnen sie die Walfänger niemals über den September aus. Schon machte sich der Frost fühlbar und die Mannschaft hatte ihre Winterkleidung anlegen müssen. Die Thermometersäule schwankte um 0 Grad auf und ab. Mit der Erniedrigung der Temperatur setzte im Ochotskischen Meere regelmäßig schlechtes Wetter ein. Längs der Küste begann die Eisbildung, die nach und nach ein ausgebreitetes Ice-field hervorbrachte, und unter solchen Verhältnissen gestaltet sich der Fischfang bekanntlich recht schwierig.
    Der »Saint Enoch« war obendrein nicht begünstigt gewesen, doch den übrigen Walfängern konnte es auch nicht besser ergangen sein, soweit der Kapitän Bourcart an den Chantarinseln, in Ayau und in Yamsk etwas darüber gehört hatte. Die meisten Schiffe bereiteten sich auch schon vor, ihr Winterlager aufzusuchen.
    Dasselbe war der Fall mit dem »Repton«, dessen Auftauchen die Wachen am Morgen des 31. meldeten. Noch immer ohne größere Ladung, steuerte er unter vollen Segeln nach Osten, also jedenfalls in der Absicht, irgendwo zwischen der Gruppe der Kurilen hinauszugehen. Allem Anscheine nach sollte der »Saint Enoch« auf dem Ochotskischen Meere der letzte sein. Doch auch für ihn war es nun hohe Zeit zur Abfahrt, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, durch Eis eingeschlossen zu werden.
    Nach den Angaben des Meisters Cabidoulin belief sich die Ladung an Thran noch nicht auf fünfhundertfünfzig Faß, kaum ein Drittel von der, die der Frachtraum aufnehmen konnte.
    »Ich denke, sagte Heurtaux, hier ist nun nichts mehr zu unternehmen, und wir dürfen uns wohl nicht noch länger aufhalten…
    – Das ist auch meine Ansicht, stimmte ihm Bourcart bei; wir wollen jedenfalls die Zeit benutzen, wo die Wasserstraßen der Kurilen noch offen sind.
    – Beabsichtigen Sie, Herr Kapitän, fragte da der Doctor Filhiol, nun nach Vancouver zurückzukehren?
    – Wahrscheinlich thun wir das, antwortete Bourcart. Vor dem Antritte der immerhin langen Fahrt wird der »Saint Enoch« aber erst noch in Kamtschatka Station machen müssen.«
    Dieser Aufenthalt erschien nothwendig, um den Proviant an frischem Fleisch zu erneuern. Im Nothfall war es ja auch möglich, in Petropawlowsk zu überwintern.
    Der »Saint Enoch« segelte also ab und fuhr in südöstlicher Richtung längs der Küste von Kamtschatka hin. Nach Umschiffung des Caps Lopatka wendete er dann nach Norden, und am Nachmittage des 4. Octobers traf er in Sicht von Petropawlowsk ein.

Neuntes Capitel.
Bei Kamtschatka.
    Kamtschatka, die lange, von dem gleichnamigen Strome bewässerte Halbinsel, dehnt sich zwischen dem Ochotskischen Meere und dem arktischen Eismeere aus. Es hat bei vierhundert Kilometern Breite eine Länge von nicht

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