Die historischen Romane
häufigsten, fast so wie das Geldverleihen zu Wucherzinsen. Gewiss ist es besser, nie Geld zu brauchen und niemals krank zu werden.«
»Immerhin gibt es auch christliche Ärzte«, sagte Du Maurier mit eisigem Lächeln.
Ich hatte einen Fauxpas begangen.
Unter den Pariser Intellektuellen gibt es viele, die zugeben, bevor sie ihren Abscheu vor Juden ausdrücken, dass einige ihrer besten Freunde Juden seien. Heuchelei. Ich habe keine jüdischen Freunde (Gott bewahre!), ich habe die Juden mein Leben lang immer gemieden. Vielleicht habe ich sie instinktiv gemieden, denn die Juden erkennt man (wie die Deutschen, welch ein Zufall) an ihrem Geruch (das hat auch Victor Hugo gesagt: fetor judaica ), was ihnen hilft, sich an diesem und anderen Zeichen zu erkennen, ähnlich wie die Päderasten. Mein Großvater hatte mir eingebleut, dass ihr Geruch von dem vielen Knoblauch und den Zwiebeln kommt, die sie verzehren, vielleicht auch von dem Hammel- und Gänsefleisch, beschwert mit dickflüssigen Zuckersoßen, die sie hypochondrisch machen. Aber es muss auch die Rasse sein, das unreine Blut, die lahmen Lenden. Sie sind allesamt Kommunisten, siehe Marx und Lassalle, in diesem Punkt hatten für einmal meine Jesuiten recht.
Ich habe die Juden immer gemieden, auch weil ich auf die Namen achte. Die österreichischen Juden kauften sich, wenn sie reich wurden, anmutig klingende Namen, solche von Blumen, Edelsteinen oder -metallen wie Rosenbaum, Silbermann oder Goldstein. Die ärmsten mussten mit Namen wie Grünspan oder Schweißloch vorliebnehmen. In Frankreich und Italien haben sie sich hinter Namen von Städten oder Regionen versteckt, Ravenna, Modena, Picard, Flamand, manche haben sich auch am Revolutionskalender orientiert, Froment, Avoine, Laurier – zu Recht, waren ihre Väter doch die heimlichen Drahtzieher des Königsmords. Aber man muss auch auf die Vornamen achten, die manchmal jüdische Namen maskieren – hinter einem Maurice kann ein Moses stecken, hinter Isidor ein Isaak, hinter Édouard ein Aaron, hinter Jacques ein Jakob und hinter Alphonse ein Adam…
Ist Sigmund ein jüdischer Name? Ich hatte instinktiv beschlossen, diesem Froïde kein Vertrauen zu schenken, aber eines Tages stieß er, als er danach griff, das Salzfässchen um. Unter Tischnachbarn muss man gewisse Höflichkeitsregeln beachten, und so reichte ich ihm das meine, nicht ohne zu sagen, dass in manchen Ländern das Verstreuen von Salz als schlechtes Vorzeichen gilt, worauf er lachend erwiderte, er sei nicht abergläubisch. Seitdem wechselten wir immer öfter ein paar Worte. Er entschuldigte sich für sein Französisch, das er zu schwerfällig sprach, aber er konnte sich sehr gut verständlich machen. Die Juden sind Nomaden aus schlechter Angewohnheit und müssen sich allen Sprachen anpassen. Ich sagte freundlich: »Sie müssen nur noch das Ohr besser eingewöhnen.« Er lächelte dankbar. Schleimer.
Froïde war auch als Jude ein Lügner. Ich hatte immer gehört, die Angehörigen seiner Rasse dürften nur besondere, eigens zubereitete Speisen essen und lebten deswegen immer in Ghettos, während Froïde mit gutem Appetit alles aß, was ihm im Magny vorgesetzt wurde, und auch ein Glas Bier nicht verschmähte.
Eines Abends schien es jedoch, als wolle er sich total gehenlassen. Er hatte bereits zwei Bier bestellt, und nach dem Essen, während er nervös rauchte, bestellte er noch ein drittes. Nach einer Weile, während er mit großen Handbewegungen redete, stieß er das Salzfässchen abermals um.
»Nicht dass ich ungeschickt wäre«, entschuldigte er sich, »aber ich bin beunruhigt. Seit drei Tagen habe ich keine Post von meiner Verlobten bekommen. Ich erwarte nicht, dass sie mir jeden Tag schreibt, wie ich es tue, aber dieses Schweigen beunruhigt mich. Sie ist von zarter Gesundheit, ich leide sehr darunter, nicht in ihrer Nähe zu sein. Außerdem brauche ich ihre Billigung für alles, was ich tue. Ich wünschte zum Beispiel, dass sie mir schriebe, was sie von meinem Abendessen bei Charcot denkt. Sie müssen nämlich wissen, Monsieur Simonini, ich war vor ein paar Tagen zum Essen bei dem großen Mann eingeladen. Das passiert nicht jedem jungen Doktor, der auf Besuch ist, noch dazu Ausländer.«
Sieh da, sagte ich mir, der kleine semitische Parvenü, der sich in die guten Familien einschleimt, um Karriere zu machen. Und dieser Drang nach seiner Verlobten, verriet der nicht die sinnliche, lüsterne Natur des Juden, der immer an Sex denkt? Nachts träumst
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