Die historischen Romane
Beseitigung , ich finde den richtigen Ausdruck nicht, auf englisch würde ich removal sagen, wie sagt man auf französisch, wenn man ein Organ entfernt… une ablation ? Ja, auf deutsch wäre wohl Entfernung der richtige Ausdruck.«
Da kommt der Jude wieder zum Vorschein, sagte ich mir. Ich glaube, ich hatte mich damals schon mit den verschiedenen jüdischen Verschwörungen beschäftigt und mit dem Plan dieser Rasse, ihre Kinder Ärzte und Apotheker werden zu lassen, um sowohl den Körper als auch den Geist der Christen beherrschen zu können. Wenn ich krank wäre, würdest du wollen, dass ich mich in deine Hände begäbe und dir alles von mir erzählte, auch was ich gar nicht weiß, so dass du zum Herrn über meine Seele würdest, nicht wahr? Das wäre noch schlimmer als beim jesuitischen Beichtvater, denn mit dem würde ich wenigstens geschützt durch ein Gitter sprechen und würde nicht sagen, was ich denke, sondern nur das, was alle tun, weshalb man es fast schon mit Termini technici benennen kann, die für alle gleich sind, ich habe gestohlen, ich habe Unzucht getrieben, ich habe Vater und Mutter nicht geehrt. Deine Sprache selbst verrät dich, du sprichst von Ablation, als wolltest du mir das Gehirn beschneiden…
Doch inzwischen hatte Froïde angefangen zu lachen und hatte sich noch ein Bier bestellt.
»Aber nehmen Sie meine Worte nicht für getriebenes Gold, es sind Phantasien eines tatenlos Strebenden. Wenn ich nach Österreich zurückkehre, werde ich heiraten, und um meine Familie ernähren zu können, werde ich eine ärztliche Praxis eröffnen müssen. Und dann werde ich brav die Hypnose anwenden, wie Charcot es mich gelehrt hat, und werde nicht anfangen, in den Träumen meiner Patienten zu schnüffeln. Ich bin keine Pythia. Ich frage mich, ob es dieser Patientin von Du Maurier nicht guttäte, ein bisschen Kokain zu nehmen.«
So endete dieses Gespräch, das damals so wenige Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen hatte. Aber jetzt fällt mir alles wieder ein, weil ich mich jetzt vielleicht, wenn nicht in der Situation von Diana, so doch in der eines fast normalen Menschen befinde, der einen Teil seines Gedächtnisses verloren hat. Aber selbst wenn ich wüsste, wo Froïde sich derzeit befindet, würde ich um nichts in der Welt hingehen und ihm mein Leben erzählen, ihm als Juden schon gar nicht, aber auch nicht einem guten Christen. In dem Metier, das ich ausübe (welches Metier?), muss ich Angelegenheiten anderer Leute erzählen, gegen Bezahlung, aber mich um jeden Preis davor hüten, meine eigenen offenzulegen. Allerdings kann ich mir meine eigenen selbst erzählen. Bourru (oder Burot) hatte doch gesagt, dass es heilige Männer gebe, die sich selber hypnotisierten, indem sie auf ihren Bauchnabel starrten.
So habe ich beschlossen, dieses Tagebuch zu führen, wenn auch rückläufig, um mir meine Vergangenheit Stück für Stück zu erzählen, so wie ich sie mir ins Gedächtnis zurückzurufen vermag, einschließlich der belanglosesten Dinge, bis das… wie hieß es gleich?… das traumatisierende Element zum Vorschein kommt. Für mich allein. Und für mich allein will ich gesund werden, ohne mich in die Hände der Klapsmühlenärzte zu begeben.
Bevor ich anfange (aber ich habe ja inzwischen schon angefangen, gerade gestern) würde ich gerne, um mich in den richtigen Gemütszustand für diese Art von Autohypnose zu bringen, in die Rue Montorgueil chez Philippe gehen. Ich würde mich in Ruhe hinsetzen, würde lange die Speisekarte studieren, mit den Menüs, die von sechs Uhr abends bis Mitternacht serviert werden, und würde dann potage à la Crécy bestellen, Steinbutt mit Kapernsoße, Rinderfilet und langue de veau au jus , um mit einem Sorbet al maraschino und diversen Plätzchen zu enden, das Ganze begossen mit zwei Flaschen altem Burgunder.
Derweil würde es Mitternacht geworden sein, und ich würde das Nachtmahl in Erwägung ziehen: vielleicht eine Schildkrötensuppe (mir kommt eine köstliche von Dumas in den Sinn – habe ich Dumas gekannt?), dann eine Scheibe Lachs an Zwergzwiebeln mit javanisch gepfefferten Artischocken, zum Abschluss einen Rum-Sorbet und englische Gewürzplätzchen. In vorgerückter Nacht würde ich mir eine Delikatesse des frühen Morgens spendieren, sprich eine soupe aux oignons , wie sie zu dieser Zeit die Lastträger der Pariser Hallen genießen, glücklich, mich mit ihnen gemein zu machen. Dann, um mich auf einen aktiven Morgen vorzubereiten, einen starken Kaffee mit
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