Die historischen Romane
erneut verurteilt, aber nach dem Wahlsieg der Linken 1902 und einer neuerlichen Diskussion um seinen Fall am 12. Juli 1906 freigesprochen und rehabilitiert wird. Nach Wiederaufnahme in die Armee und Beförderung zum Major lässt er sich 1907 in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. Am 12. Juli 1935 stirbt Alfred Dreyfus an einem Herzinfarkt. Seine Enkelin Madeleine Lévy wird 1942 in Auschwitz ermordet.
19 Major Ferdinand Walsin-Esterházy
Französischer Offizier (1847–1923), nur entfernt über seinen Großvater, der ein unehelicher Sohn einer Gräfin Esterházy war, mit der bekannten österreichisch-ungarischen Adelsfamilie verwandt. Aufgewachsen in Paris, nahm er 1866 als Kavallerieoffizier am Italienfeldzug gegen Österreich teil, diente dann bei den päpstlichen Zuaven, danach in der Fremdenlegion, mit der er am Krieg 1870 teilnahm. 1877 wurde er dem Geheimdienst der Armee zugeteilt. Ab 1894 begann er auch für die deutsche Seite zu spionieren.
1895 wird er erstmals verdächtigt, der wahre Autor des Bordereau zu sein, für das Hauptmann Dreyfus auf die Teufelsinsel geschickt worden war. Eine Zeitlang versucht die Militärhierarchie die Affäre zu ersticken, aber als Mathieu Dreyfus, Alfreds älterer Bruder, im November 1897 an den französischen Kriegsminister schreibt und Esterházy als Autor des Borderau anklagt, beantragt dieser einen Prozess gegen sich selbst. Am 10. Januar 1898 wird er von einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Militärtribunal freigesprochen, woraufhin Émile Zola sein berühmtes J’accuse! publiziert. Nach weiteren Enthüllungen zieht Esterházy es vor, sich im August 1898 nach London abzusetzen, wo er bis 1906 als Korrespondent der Zeitung La Libre Parole tätig ist. In der Zeitung Le Matin gab er 1899 zu, das Bordereau »auf Anweisung seiner Vorgesetzten« geschrieben zu haben.
20 Pjotr Iwanowitsch Ratschkowski
Russischer Geheimdienstagent (1853–1910), von 1884 bis 1902 Auslandschef der zaristischen Geheimpolizei Ochrana mit Sitz in Paris. Seine Hauptaufgabe war die Überwachung und Bekämpfung der ins Ausland geflüchteten russischen Revolutionäre, zu welchem Zweck er ein dichtes Agentennetz in halb Europa anlegte, mit dem er die Aktivitäten der russischen Revolutionäre auch in Russland selbst überwachen konnte. Ein begabter Fälscher und Intrigant, war er auch erfolgreich als Börsenspekulant, was ihm einen großzügigen Lebensstil in der Pariser Gesellschaft erlaubte. Seine typische Vorgehensweise: alles, was irgendwie als fortschrittlich auftrat, das ganze Spektrum der progressiven Bewegung von den gemäßigten Liberalen bis zu den radikalsten Revolutionären, als bloßes Werkzeug in den Händen der Juden hinzustellen, um so die Progressiven zu diskreditieren und zugleich den Hass der »Modernisierungsverlierer « auf die Juden zu lenken. Das Modell sollte eine große Zukunft haben.
21 Juliana Dmitrijewna Glinka
Russische Diplomatentochter (1844–1918), aufgewachsen in Brasilien, dann in St. Petersburg Hofdame der Zarin Maria Alexandrowna, befreundet mit der Spiritistin und Theosophin Madame Blavatsky, 1881–82 in Paris als Agentin der Ochrana tätig, zugleich befreundet mit Juliette Adam, in deren Salon sie regelmäßig verkehrte. Ab 1895 lebte sie wieder vorrangig in St. Petersburg.
22 Matvej (frz. Mathieu) Wassiljewitsch Golowinski
Russisch-französischer Agent und notorischer Fälscher (1865–1920), Assistent Ratschkowskis in Paris. Als Kind einer turbulenten Adelsfamilie frankophon erzogen (der Vater mit Dostojewski befreundet, er selbst als Schüler mit dem jungen Lenin), war er bereits in Russland als Medienexperte für antisemitische Kreise und für die Regierung tätig. 1894, nach der Thronbesteigung von Zar Nikolaus II., wird er von Maxim Gorki öffentlich als Spitzel entlarvt und muss sich nach Paris absetzen. Dort arbeitet er für Ratschkowski, den Chef des russischen Auslandsnachrichtendienstes Ochrana , wobei seine Aufgabe hauptsächlich darin besteht, gefälschte Artikel unter wechselnden Identitäten in der französischen Presse zu lancieren. Nach Ratschkowskis Tod 1910 geht er zurück nach Russland und arbeitet für diverse Machthaber, wobei er sich auch als Mediziner ausgibt und seine Schriften mit »Dr. Golowinski« unterzeichnet. Beim Ausbruch der Oktoberrevolution 1917 wechselt er die Seite und arbeitet bis zu seinem Tod 1920 für die Bolschewiki, u.a. als Berater
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