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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Prozesse zurück. Stellt Euch vor, ein Mann ist durch Vergiftung getötet worden. Das ist eine empirische Tatsache. Angesichts gewisser untrüglicher Zeichen kann ich mir durchaus vorstellen, dass ein anderer Mann die Vergiftung verursacht hat. An derart einfachen Ketten von Wirkung und Ursache kann mein Verstand sich mit einem gewissen Selbstvertrauen entlangbewegen und den Giftmischer dingfest zu machen versuchen. Wie aber kann ich die Kette nun dadurch komplizieren, dass ich mir als Anstifter der bösen Tat eine weitere, diesmal nicht menschliche, sondern teuflische Kraft vorstelle? Nicht dass dergleichen unmöglich wäre, auch der Teufel hinterlässt klare Zeichen auf seinem Weg, wie es Euer Rappe Brunellus tat. Aber warum sollte ich danach suchen? Genügt es nicht, wenn ich weiß, dass der Schuldige dieser bestimmte Mensch ist, um ihn dem weltlichen Arm zu übergeben? In jedem Falle wird er für seine Tat mit dem Tode bestraft, Gott möge ihm vergeben.«
    »Aber mich dünkt, dass Ihr bei einem Prozess vor drei Jahren in Kilkenny, bei dem mehrere Personen schändlichster Untaten angeklagt waren, den Eingriff des Teufels durchaus nicht geleugnet habt, nachdem die Schuldigen einmal gefunden waren.«
    »Aber ich habe ihn auch nicht mit offenen Worten behauptet. Ich habe ihn nicht geleugnet, das ist wahr. Wer bin ich denn, dass ich mir Urteile über das Wirken des Bösen erlauben dürfte? Zumal in Fällen« – und auf diesem Gedanken schien William insistieren zu wollen – »in denen jene, die das Inquisitionsverfahren eröffnet haben, der Bischof, die Richter der Stadt und das ganze Volk, vielleicht sogar die Beschuldigten selbst den Nachweis einer Präsenz des Bösen offenbar sehnlichst wünschen? Vielleicht ist das überhaupt der einzige wahre Beweis für das Wirken des Teufels: die Intensität, mit welcher alle Beteiligten in einem bestimmten Augenblick danach verlangen, ihn am Werk zu sehen...«
    »Ihr wollt also sagen«, fragte der Abt ein wenig beunruhigt, »dass in vielen Prozessen der Teufel nicht nur im Schuldigen sein Unwesen treibe, sondern womöglich auch und vor allem in den Richtern?«
    »Wie könnte ich wagen, so etwas zu behaupten?« fragte William zurück, und die Frage war offenkundig so formuliert, dass der Abt verstummen musste – woraufhin William sein Schweigen nutzte, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Im Grunde sind das doch längst vergangene Dinge. Ich habe jene noble Tätigkeit aufgegeben, und wenn ich es tat, so war es der Wille des Herrn...«
    »Ohne Zweifel«, gab Abbo zu.
    »...und nun beschäftige ich mich mit anderen delikaten Fragen. Und gern würde ich mich mit der beschäftigen, die Euch quält, wenn Ihr mir sagen würdet, um was es geht.«
    Wie mir schien, war es dem Abt ganz recht, die Diskussion beenden und auf sein Problem kommen zu können. Jedenfalls begann er nun umständlich und mit großer Vorsicht in der Wahl seiner Worte von einem seltsamen Vorfall zu berichten, der sich wenige Tage vor unserer Ankunft zugetragen und, wie er sagte, große Unruhe unter den Mönchen ausgelöst habe. Wenn hier davon die Rede sein solle, so im Wissen, dass William ein großer Kenner der menschlichen Seele und der Wege des Bösen sei, und daher in der Hoffnung, dass er vielleicht einen Teil seiner kostbaren Zeit damit verbringen möge, Licht zu bringen in eine sehr dunkle und schmerzliche Sache. Vorgefallen sei nämlich, dass Bruder Adelmus von Otranto, ein Mönch von noch jungen Jahren, aber gleichwohl schon bekannt als exzellenter Miniaturenmaler, der Manuskripte der Klosterbibliothek mit wunderbaren Vignetten zu schmücken pflegte, eines Morgens von einem Ziegenhirten tot auf dem Grunde der Schlucht unter dem Ostturm des Aedificiums gefunden worden sei. Da die anderen Mönche ihn während der Komplet im Chor noch gesehen, nicht aber mehr bei der Frühmette, müsse er wohl in den dunkelsten Stunden der Nacht in die Tiefe gestürzt sein. Es sei eine stürmische Nacht gewesen, eisige Schneeflocken, hart wie Hagelkörner, seien von einem scharfen Nordwind durch die Luft gewirbelt worden. Durchnässt vom Schnee, der erst getaut und dann zu Eisklumpen gefroren sei, habe man schließlich die Leiche des Unglücklichen am Fuße des Steilhangs gefunden, aufgeschürft von den Felsvorsprüngen, über die er hinabgestürzt. Ein elender und schlimmer Tod, Gott möge sich seiner erbarmen. Wegen der vielen Stöße, die der Körper offensichtlich beim Sturz erlitten, sei es nicht leicht

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