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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mein Pleroma ...
    Baudolino schob die Hände unter das Kleid, das sie noch verhüllte, und fühlte, dass jener Flaum, der ihren Schoß anzukündigen schien, sich verdichtete, den Ansatz ihrer Beine bedeckte, die Innenseite der Schenkel, sich fortsetzte zum Gesäß ...
     
    »Kyrios Niketas, ich riss ihr das Kleid herunter und sah. Vom Bauch an abwärts war Hypatia ziegengestaltig, und ihre Beine endeten in zwei elfenbeinfarbenen Hufen. Mit einem Schlag begriff ich, warum sie, wenn sie vom Kleid bis zum Boden verhüllt war, nicht so zu gehen schien wie jemand, der die Füße aufsetzt, sondern leicht dahinglitt, fast als berühre sie gar nicht den Boden. Und ich begriff, wer die Befruchter waren: die Satyrn-die-man-nie-sah, Wesen mit gehörnten Menschenköpfen und Widderleibern, die Satyrn, die seit Jahrhunderten im Dienst der Hypatien lebten, denen sie die weiblichen Sprösslinge überließen, während sie die männlichen selbst aufzogen, letztere mit dem gleichen abstoßenden Gesicht wie sie, die anderen immer noch mit der ägyptischen Anmut der schönen Hypatia, der antiken, und ihrer ersten Schülerinnen.«
    »Welch ein Grauen!« sagte Niketas.
    »Grauen? Nein, das war es nicht, was ich in jenem Moment empfand. Überraschung ja, aber nur einen kurzen Augenblick. Dann beschloss ich, dann beschloss mein Körper für meine Seele, oder meine Seele für meinen Körper, dass es wunderschön war, was ich da sah und berührte, denn es war Hypatia, und auch ihre Tiernatur hatte teil an ihrer Anmut, dieses weiche gekräuselte Fell war das Begehrenswerteste, was ich je begehrt hatte, es roch nach Moschus, und diese vorher verborgenen Gliedmaßen waren von der Hand eines Künstlers gestaltet, und ich liebte, ich begehrte und liebte dieses nach Wald duftende Geschöpf, und ich hätte Hypatia auch geliebt, wenn sie die Gestalt einer Chimäre, eines Ichneumons, einer Hornviper gehabt hätte.«
     
    So kam es, dass Hypatia und Baudolino sich vereinten, bis der Abend kam, und als sie schließlich erschöpft waren, blieben sie noch lange beieinander liegen, einander liebkosend und sich zärtliche Namen gebend und alles um sich herum vergessend.
    »Meine Seele ist auf- und davongeflogen wie eine Flamme«, sagte Hypatia. »Mir scheint, ich bin ein Teil des gestirnten Himmels geworden ...« Sie hörte nicht auf, den Körper des Geliebten zu erforschen. »Wie schön du bist, Baudolino. Aber auch ihr Menschen seid Monster«, scherzte sie. »Du hast lange weiße Beine ohne Fell und die Füße so groß wie die von zwei Skiapoden! Aber du bist trotzdem schön, ja noch schöner ...« Er küsste ihr schweigend die Augen.
    »Haben die Frauen der Menschen auch so lange Beine?« fragte sie mit gerunzelter Stirn. »Hast du ... die Ekstase an der Seite von Langbeinigen erlebt?«
    »Ich wusste ja nicht, dass es dich gibt, mein Lieb.«
    »Ich will nicht, dass du jemals wieder die Beine von Menschenfrauen betrachtest.« Er küsste ihr schweigend die Hufe.
    Es wurde dunkel, und sie mussten sich trennen. »Ich glaube«, murmelte Hypatia, während sie noch einmal seine Lippen streifte, »ich werde meinen Gefährtinnen nichts erzählen. Sie würden vielleicht nichts verstehen, sie wissen ja nicht, dass es auch diese Art des Aufstiegs in höhere Regionen gibt. Bis morgen, mein Lieb. Hörst du? Ich nenne dich so, wie du mich genannt hast. Ich erwarte dich.«
     
    »So vergingen einige Monate, es waren die schönsten und reinsten meines Lebens. Ich ritt jeden Tag zum See, und wenn ich nicht konnte, diente uns der treue Gavagai als Liebesbote. Ich hoffte, dass die Weißen Hunnen nie kommen würden und dass dieses Warten in Pndapetzim bis zu meinem Tod andauerte und darüber hinaus. Aber ich fühlte mich, als ob ich den Tod besiegt hätte.«
     
    Eines Tages dann, viele Monate später, nachdem sie sich ihm mit der gleichen Leidenschaft wie stets hingegeben hatte und noch kaum zur Ruhe gekommen war, sagte Hypatia zu Baudolino: »Mit mir geht etwas vor. Ich weiß, was es ist, denn ich habe die Geständnisse meiner Gefährtinnen gehört, wenn sie von der Nacht mit den Befruchtern zurückkamen. Ich glaube, ich habe ein Kind im Leib.«
    Baudolino empfand im ersten Moment nur eine unsägliche Freude, er küsste diesen gesegneten Leib, ob gesegnet von Gott oder von den Archonten. Dann kamen ihm Sorgen: Hypatia würde den anderen ihren Zustand nicht verbergen können, was würde sie tun?
    »Ich werde der Großen Mutter die Wahrheit beichten«, sagte sie. »Sie wird

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