Die Hobbijahns
eine feige, dicke Schnecke. Nun hatten sie es gemeinsam so weit geschafft und stritten, nur weil Balduin nicht hatte hören können. Jasmin war enttäuscht. Sie legte das Seil zur Seite, die Tasche auf den Boden und steckte die Hände in die Hosentaschen, so tief als könne sie selbst darin verschwinden und einen Retter aufspüren. Doch stattdessen fand sie die Schere, die sie eingesteckt hatte, als Mama Hobbijahn sie um Hilfe gebeten hatte.
Welch Glück hatte sie beim Sturz gehabt. Das spitze Gerät hätte ihr tiefe Wunden am Oberschenkel zufügen können.
»Vielleicht kann ich den Stamm durchschneiden?«, sagte Jasmin und zog die Schere hervor.
»Mit dem Ding?«
Nun meldete sich Gretchen wieder zu Wort, leider dehnte sie wieder jedes Wort in die Länge. »Dasss ischt eine Schereee.«
Um Archibald zu demonstrieren, wie die Schere funktionierte, schnitt Jasmin in das Blatt einer Blume, die hinter ihr stand. Gretchen versuchte sie mit einem Aufschrei zu warnen. Zu spät.
Die Blume bespritzte Jasmin mit einer stinkenden, weißen Flüssigkeit, die auf der Haut brannte wie Feuer.
»Das ist ihr Abwehrsystem. Wenn du sie verletzt, bespritzen dich manche Blumen mit einer ätzenden Säure. Im Land der Blumen ist eben alles größer und somit auch viel schlimmer. Geht es denn?«, fragte Gretchen. Das war das erste Mal, dass Gretchen besorgt klang und ohne diesen lang gezogenen Akzent sprach.
»Nein!« Und diesmal weinte Jasmin. Wie hatte der Weise Hobbijahn sie nur auf diese Reise schicken können?
»Setz mich auf deine Haut«, sagte Gretchen.
»Wieso?«
»Ich schätze, sie kann dir helfen«, meinte Archibald.
Schlimmer konnte es ja nicht werden. Jasmins Haut brannte und juckte fürchterlich. Auch die Kratzer schmerzten. Vielleicht war Gretchen ja doch zu mehr zu gebrauchen.
Vorsichtig setzte sie Gretchen auf ihren rechten Arm. Die Schnecke rutschte darüber und hinterließ eine Schleimspur. Für einen Moment war Jasmin versucht, das Gesicht vor Ekel zu verziehen, aber der Schleim linderte den Juckreiz und den Schmerz sofort. Nachdem Gretchen ihren heilenden Saft überall an den roten und zerschrammten Hautstellen verteilt hatte, ging es Jasmin besser. Sie bedankte sich bei Gretchen, indem sie ihr über den Rücken strich.
Jetzt tat es Jasmin leid, dass sie böse über sie gedacht hatte. Gretchen sagte nichts, aber Jasmin wusste, dass die Schnecke auch diesen Gedanken von ihr hatte auffangen können.
»Warum sprichst du jetzt anders?«
»Och, das ist mal so und mal so.«
Gretchen klappte die Fühler ein, dann sagte sie: »Es klingt vornehmer, die Hobbijahns finden es toll und bewundern mich dafür. Darum spreche isch in feiinem Akzönt.«
Jasmin und Archibald schauten sich amüsiert an.
»Nun, das ist bei uns aber nicht nötig!«, meinte Archibald.
»Ja, das ist mir auch klar geworden. Entschuldigt bitte!«
Jasmin bückte sich und hob die Schere auf.
»Wird die Pflanze Saft verspritzen, wenn ich sie versuche durchzuschneiden?« Sie mussten Balduin endlich retten.
Gretchen schüttelte den Kopf. Ihre Fühler wackelten dabei hin und her.
»Ich habe noch niemals davon gehört, dass sich fleischfressende Pflanzen so wehren. Trotzdem ist Vorsicht geboten.«
»Ich glaube nicht, dass du es schaffst, mit diesem kleinen Ding den Stamm durchzuschneiden.
Vielleicht fällt uns ja noch etwas Besseres ein«, sagte Archibald.
»Dann überlegt, während ich es zumindest versuchen will.«
Mit diesen Worten trat Jasmin an die Blume, die Balduin verschluckt haben musste. Ehrfürchtig schaute sie an dem dicken Stamm entlang, hoch zu der wunderschönen Blüte, die Balduin vermutlich eine solch verlockende Falle gewesen war.
Sie musste ihn befreien. Entschlossen setzte Jasmin die Schere wie eine Säge an und bewegte sie hin und her. Mit wenig Erfolg. Sie versuchte es mit mehr Kraft – doch es zeigte sich überhaupt keine Veränderung an dem dicken Stängel. Jasmin gab nicht auf. Mit wachsender Kraft und Geschwindigkeit versuchte sie mit der Schere, den Blumenstamm zu durchtrennen. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und auf ihrem Rücken. Gretchen und Archibald schauten ihr zu und feuerten sie an. Und endlich gab etwas nach. Jasmin fiel vor Schreck vorne über, beinahe auf Archibald und Gretchen. Doch Archibald konnte sich auf die Seite retten und zog mit einem seiner Beine auch Gretchen mit sich.
Die Enttäuschung war groß, als sie feststellen mussten, dass es nicht der Stängel gewesen war, der nachgegeben hatte,
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