Die Hobbijahns
Hilfe schreien müssen, wäre vermutlich alles zu spät, bevor sie das Wort zu Ende gesprochen hatte. Sie war eben eine Schnecke, wenn auch eine allwissende. »Das Wasseer, liebeeee Jasmiiiin, fliiießt aus den Brunnenwänden nach obeeeen iiins Land deeeer Hobbiiijaaahns.«
»Aus den Wänden? Aber wie soll das funktionieren?«
»Zaubereiii!«
Sie erklommen einen steilen, mit dichtem Gras bewucherten Berg, hinter dem das Land der Blumen lag.
Plötzlich trat Jasmin auf unebenen Boden und verlor den Halt. Sie stieß einen Schrei aus, doch ihre neuen Freunde, konnten nicht helfen, zu schnell stürzte sie den Berg hinunter. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, während sie verzweifelt nach Halt suchte. Ihre Hände rutschten von den glatten Grashalmen ab. Doch sie gab nicht auf, krallte sich an Grasbüscheln fest, versuchte es mehr rechts und dann weiter links und erwischte endlich einen herunterhängenden Ast, an den sie sich festklammerte. Doch der Ast gab ein Stück nach. Und Jasmin wartete auf den Absturz, sie keuchte vor Anstrengung und Angst.
Der Ast hielt! Zaghaft sah sie sich um. Sie war nicht so weit gerutscht, wie es ihr vorgekommen war. Aber beide Arme waren aufgeschrammt und blutig. Auch ihre Beine pochten vor Schmerz.
»Geht es dir gut?« Balduin flatterte aufgeregt um sie herum. »Oh nein, du bist verletzt! Hast du Schmerzen? Kann ich dir helfen? Soll ich dir Luft zufächeln? Wäre ich doch nur größer, dann hätte ich dir helfen können. Jasmin, sag doch etwas!«
Aber sie konzentrierte sich darauf aufzustehen und die Tränen zurückzuhalten. Beides gelang ihr erstaunlich gut. Die Jeans hatte ein paar Löcher, aber die Knie wiesen keine tiefen Kratzer auf.
Ein bisschen wackelig noch, mehr vor Angst als vor Schmerzen, machte Jasmin sich erneut an den Aufstieg. Archibald kam ihr entgegen. »Du hast uns aber einen Schrecken eingejagt!«
Und nun musste sie doch weinen.
Balduin setzte sich auf ihre Nase und wischte die Tränen mit seinen Flügeln fort.
»Sollen wir eine Pause einlegen?«, fragte Archibald.
»Nein, erst wenn wir oben sind.« Tapfer ging Jasmin weiter, doch dann fiel ihr Gretchen ein und sie blieb abrupt stehen. Auf ihrer Schulter saß sie nicht mehr. Natürlich nicht. Sie musste beim Sturz heruntergefallen sein.
Gretchen wurde lästig. Außer lehrreicher Kommentare half sie nicht und ständig musste Jasmin aufpassen, die Schnecke nicht zu zerquetschen. Trotzdem rief Jasmin nun: »Gretchen, wo bist du?«
Keine Antwort.
Und lauter: »Gretcheeeen!«
Doch die Schnecke reagierte nicht.
»Mist«, schimpfte Balduin, »so ein komisches Tier! Hat keine Flügel, spricht, als hätte sie einen Kloß im Hals, und ist hässlich wie ein Blatt.«
»Ich mag Blätter!«
Entsetzt schaute Jasmin die Spinne an. Er hatte Gretchen doch nicht etwa gegessen?
Es blieb ihr keine Zeit ihn zu fragen, denn es juckte sie fürchterlich auf dem Rücken, dass sie sich kratzen und dabei so verdrehen musste, dass sie beinahe wieder das Gleichgewicht verloren hätte. Sie hüpfte und stampfte und fluchte, bis das Jucken schlagartig endete und Archibald meinte: »Na bitte, da ist sie ja.«
Auf dem Boden saß Gretchen und schüttelte schweigend ihre Fühler.
Jasmin nahm sie auf und legte sie zurück in die Tasche. Dort konnte sie nicht verloren gehen.
Vorsichtiger als zuvor machten sie sich wieder an den Aufstieg.
Balduin flog ein Stück voraus und stieß einen Begeisterungsschrei aus, als er am Gipfel angekommen war. Entgegen der Abmachung stürzte er sich ins Tal.
Das Land der Blumen
»Nein!«, schrie Jasmin. »Warte auf uns, Balduin.«
Doch bis sie den Gipfel des Berges erreichten, befand sich der kleine Falter so weit entfernt, dass er Jasmins Rufe nicht mehr hörte. Sie erkannten nur einen kleinen, leuchtenden Punkt, der im Freudentaumel hin und her flog.
Der Berghang, der sich nun vor ihnen erstreckte, war aus grauem, hässlichem Stein. Die Schönheit des Landes begann erst am Fuße des Berges: Farbenprächtig, glühend, glänzend, vielfältig... umwerfend, aber gefährlich, und Balduin stürzte sich mitten hinein. Allein! Jasmin mobilisierte alle Kräfte, um ihm nachzulaufen, doch Archibald war mit seinen acht Beinen schneller.
»Du musst ihn aufhalten!«, rief sie.
»Balduin, warte!«
Doch er hörte nicht, oder konnte nicht. Er war ein Falter, für ihn musste dieses Land das Paradies sein. Ein Meer aus Blumen, in tausend verschiedenen Farben und Formen. Nektar im Überfluss. Und Balduin
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