Die Hobbijahns
sondern die Schere, die in der Mitte zerbrochen war.
»Verdammter Mist!«
Im Geiste hörte Jasmin die Ermahnung ihrer Mutter, nicht zu fluchen. Sie vermisste sie so sehr. Nun weinte Jasmin wieder. Vor Enttäuschung, aber auch weil sie sich schrecklich allein fühlte, obwohl ihre neuen Freunde bei ihr waren. Und dann hatte sie plötzlich eine rettende Idee.
»Du musst mir helfen, Archibald! Kannst du ein Netz zwischen Boden und Blüte spannen?«
Archibald sah verständnislos drein, aber dann ahnte er, was Jasmin plante. »Du willst an dem Netz hinauf klettern, um auf die Blume zu gelangen? Das ist viel zu gefährlich. Das unterstütze ich nicht. Hinterher fällst du auch noch hinein.«
»Das ist mir egal«, erwiderte Jasmin trotzig, »ich schaffe das schon. Ich will doch nur sehen, ob Balduin da oben ist.«
Gretchens Fühler wippten leicht, als wollte sie damit ihre Zustimmung geben.
»Gut, ich kann dich sowieso nicht davon abbringen. Aber während ich das Netz spinne, musst du schlafen«, bestimmte Archibald.
Jasmin willigte sofort ein, denn sie war nicht nur müde, sie hoffte, sobald sie aufwachte, würde alles wieder gut sein.
So war es stets gewesen.
So musste es auch diesmal sein...
Die Rettung
Jasmin hatte traumlos geschlafen, als ein leichtes Rütteln sie weckte. Es war Archibald, der sie vorsichtig aus dem Schlaf holte. Nur langsam nahm Jasmin ihre Umgebung wahr, und es dauerte eine Weile, bis sie die Worte, die Archibald zu ihr sprach, verstand: »Jasmin. Jasmin, wach auf. Ich bin fertig. Solltest du es wirklich versuchen wollen, dann wird es Zeit.«
Jasmin blinzelte, rieb sich die Augen, stand auf und reckte sich.
Es war doch nicht alles wieder gut.
Traurig schaute sie zu Balduins Gefängnis hinauf – der riesigen, fleischfressenden Pflanze. Vom Boden bis hoch zu den Blütenblättern ragte nun ein gewaltiges Spinnennetz. Archibald hatte hervorragende Arbeit geleistet. Wieder wollte das Netz sie in seinen Bann ziehen, doch Jasmin kämpfte dagegen an. Sie nahm sich fest vor, Archibald später danach zu fragen, ob dies eine besondere Bedeutung habe. Doch nun musste sie sich an den Aufstieg wagen.
Angst hatte sie, aber das wollte sie den Beiden auf keinen Fall zeigen. Sie schob den kläglichen Rest der Schere, der immer noch auf dem Boden lag, wieder in ihre Hosentasche. Vielleicht konnte sie einen Teil davon noch gebrauchen. Sie nahm das Seil, das sie zur Seite gelegt hatte, und hängte es sich wieder um die Schulter. Bisher hatte sie es nicht beachtet, aber jetzt könnte es ihr vielleicht eine Hilfe sein. Zaghaft setzte sie den ersten Fuß in das Netz, hielt sich mit beiden Händen daran fest, zog sich hoch und begann hinaufzuklettern. Die Fäden waren fest gesponnen und trugen Jasmins Gewicht ohne zu zerreißen. Problemlos gelangte sie zur Blüte. Jetzt musste sie aufpassen: Verlor sie ihr Gleichgewicht, fiel sie womöglich in die Pflanze. Dann wäre nicht nur Balduin verloren, sondern auch Hebbijahn und alle anderen Hobbijahns. Sie zitterte. Mit beiden Beinen stand sie im Netz, mit einer Hand hielt sie sich am oberen Rand der Blume fest, mit der anderen versuchte sie das Seil über ihren Kopf zu ziehen. Doch es blieb an einem Ohr hängen, und Jasmin hatte Mühe es frei zubekommen, ohne sich ein Ohr abzureißen. Aber schließlich gelang es ihr. Sie blickte nicht nach unten, lehnte sich nun mit dem Bauch gegen das Netz, um ihre Hände frei zu haben, band das Seil an einen von Archibald gesponnenen Fäden und das andere Ende um ihren Bauch.
Erst dann kletterte sie auf die Blüte hinauf. Jasmin kniete sich an den äußersten Rand. Die Farben waren hier oben noch prächtiger als vom Boden aus gesehen – verständlich, dass Balduin der List der Blume aufgesessen war.
Balduin aber musste leben! Der kleine Falter war Jasmin in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen.
Jasmin wusste noch nicht, wie sie Balduin aus der Blume retten konnte. So saß sie nur da, fühlte sich hilflos und allein. Bis sie plötzlich ein Rascheln hinter sich hörte. Vor Schreck zuckte Jasmin zusammen. Ängstlich, aber von Neugier getrieben, drehte sie sich ruckartig um, was den Teil der Blume, auf dem sie saß, erbeben ließ. Was immer dort hinaufkam, verlor den Halt und rutschte ein Stück an dem Netz hinunter.
»Spinnenbein und Mäusequatsch, Jasmin. Ich bin es doch! Ich wollte dich nicht erschrecken.«
Archibald!
Er kletterte neben sie und sagte: »Ich kann dich hier oben nicht allein lassen. Das ist mir zu
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