Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Zeiten, wie den damaligen, zu einem Anführer von Ruf und Ansehen sich zu erheben, sagte sie sich gar wohl. Sie erwartete aber, ihn nicht anders wiederzusehen, als an der Spitze einer kühnen Schar mit schallenden Sackpfeifen und fliegenden Bannern, die ohne Scheu vor den strengen Strafen, die auf dem Tragen der altberühmten Nationaltracht und des sonstigen Zubehörs hochländischer Ritterschaft standen, die edlen Hochlandsmäntel frei im Winde flattern ließ. Und daß dies also geschähe und nicht anders, dazu waren für die erhitzte Phantasie der Greisin bloß wenige Tage vonnöten, und schon übermorgen, schon morgen konnte der Fall eintreten.
Von dem Augenblick an, da dieser Glaube in ihrem Gemüt zur festen Überzeugung wurde, befaßte sie sich mit dem Gedanken, ihre Hütte zum Empfang des Sohnes an der Spitze seiner Anhänger auszuschmücken, wie es dereinst Brauch bei ihr war, wenn der Gatte heimkehrte.
Mittel zum Unterhalt zu beschaffen, war sie freilich nicht imstande, doch hielt sie dies für nicht erheblich, denn sie meinte, die Raubritter würden Kühe und Schafe mit heimbringen. Aber das Innere ihrer Wohnung war zum Empfange bereit, und das heimische Biskebah war in großer Menge gebraut und abgezogen wurden. Die Art, wie sie ihre Hütte ausgeschmückt hatte, deutete auf einen Freudentag. Mit allerhand Zweigen war sie geputzt, gleich dem Hause einer Israelitin, wenn das Laubhüttenfest naht. Was ihre kleine Herde an Milch gab, war nach allen Weisen, die sie kannte, zubereitet und in so reicher Menge, daß ihr Sohn mit den zahlreichen Gefährten, die sie erwartete, nicht Mangel leiden würde.
Der Hauptzierat für ihre Hütte, den sie mit vieler Mühe suchte, denn er wuchs nur auf hohen Bergen und auch hier in nicht großer Menge, war die Zwergmaulbeere, die von ihrem verstorbenen Manne, vielleicht auch schon einem seiner Vorfahren, zum Sinnbild für seinen Stamm erwählt worden war, weil sie durch ihr spärliches Vorkommen, die geringfügige Ausdehnung und durch den Ort, wo sie wuchs, die hochfahrenden Pläne desselben anzudeuten schien.
Solange diese Zurüstungen die Frau in Anspruch nahmen, war sie in einem Zustande von Unruhe und Freude zugleich. Nur eins machte ihr Sorge, daß sie nicht rechtzeitig mit allem fertig werden möchte, daß ihr Hamish früher kommen könne, als sie die letzte Hand an alles gelegt habe.
Endlich aber war es so weit, daß sie außer ihren Ziegen nichts mehr zu besorgen hatte. Nun musterte sie noch einmal all die Anstalten, die sie getroffen hatte, ersetzte die welken Zweige durch frische, setzte sich dann auf ihr Plätzchen vor der Tür der Hütte und hielt nun die Straße im Auge, die sich auf der einen Seite vom Ufer des Awe heraufzog und auf der anderen am Gebirge hinlief. Nun gedachte sie der Vergangenheit und malte sich nach den Bildern, die ihr Auge dort traf, die Zukunft: und in den Nebeldünsten am Morgen wie in den Trugschatten des Abends tauchten die wilden Gestalten eines Trupps kühner finsterer Krieger im schottischen Tartan, »Sidier-Dhu« genannt, zum Unterschiede von den englischen Rotröcken, in langen Zügen vor ihr auf.
über solchem Sinnen und Schauen verbrachte sie morgens und abends stundenlang.
Sechstes Kapitel.
Aber lange, lange hielt Elspat die Blicke über die ferne Straße hin gerichtet, vom Frühlicht bis zum Ersterben der Abenddämmerung, und keine Staubwolke weckte frohe Hoffnung in ihrem Herzen, keine wallende Feder oder glitzernde Waffe zauberte Lächeln auf ihre Lippen. Im braunen Kittel des Talschotten, mit dem schwarz oder dunkelrot gefärbten Tartan, wie es dem Gesetz nach sein mußte, das alle bunte, gewürfelte Tracht verbot, mit gesenktem Haupt und niedergeschlagenem Wesen zog hin und wieder wohl ein einsamer Wanderer vorbei, in Trauer über die strengen Vorschriften, die gegen hochländische Tracht und Bewaffnung, jedem Schotten heilig als Vorrechte seiner Geburt, vom Erbfeind erlassen worden waren. In solchem Wanderer erkannte aber Elspat den frischen munteren Tritt des Sohnes nicht wieder, der ihrer Meinung nach nun alle Zeichen sächsischer Sklaverei von sich gestreift haben müsse.
Eine Nacht um die andere schlich sie, wenn es dunkel geworden, von der Tür ihrer Hütte, die sie nie abschloß, hinweg zu ihrem ärmlichen Lager, das ihr aber nur selten Ruhe brachte. Der Tapfere und Furchtbare, sagte sie, wandelt bei Nacht; in der Finsternis, wenn alles still ist, außer dem Wind und dem Wasserfall, vernimmt man seinen Tritt;
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