Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
aber den Toten zu ihrem knechtischen Banner. Dann ziehen wir gen Norden zu den salzigen Seen von Kintail und lassen Berge und Täler zwischen uns und den Söhnen von Dermid. Wir besuchen die Ufer des schwarzen Sees und besuchen all meine Verwandten, denn war nicht meine Mutter eines der Kinder von Kenneth? Und werden sie unser nicht mit der alten Liebe gedenken? Ganz sicher werden meine Verwandten uns mit der Liebe der alten Zeiten aufnehmen, die in jenen fernen Tälern blüht, wo die Gälen noch wohnen in ihrer alten Größe und Herrlichkeit und unvermischt mit den gemeinen Sachsen oder der Bastardbrut ihrer Knechte und Sklaven.«
Die kräftige Sprache, die oft in ihren gewöhnlichsten Ausdrücken in Hyperbeln spricht, schien doch beinahe zu matt, selbst für Elspats überzeugende Beredsamkeit, um das gleißende Bild auszumalen, das sie von dem Lande entwarf, wohin sie mit ihm zu fliehen gedachte.
Auch waren es der Farben nur wenige, mit denen sie ihr hochländisches Paradies malen konnte.
»Die Berge dort,« fuhr sie fort, »sind höher und prächtiger als die in Breadalbane, und der Ben Cruachan ist bloß ein Zwerg gegen den Skoorovra. Die Seen dort sind breiter und tiefer und bergen nicht bloß Fische im Überfluß, sondern auch verhexte Amphibien[den Seehund betrachtete der Hochländer als verzauberten Prinzen] , von denen wir das Öl zu den Lampen bekommen. Dort sind die Hirsche größer und zahlreicher. Dort wird der Eber mit den weißen Hauern, nach dessen Jagd den tapferen Schotten am meisten gelüstet, in den Öden des Westens noch immer gestellt. Dort sind die Männer edler und Weiser und stärker als die entartete Brut, die unter dem sächsischen Banner lebt. Dort sind die Töchter des Landes voll Liebreiz, mit den blauen Augen und dem schönen Lockenhaar, und aus ihrer Schar, Hamish, will ich für dich ein Weib suchen von tadelloser Abkunft und unbeflecktem Rufe, von treuer und wahrer Liebe, das zur Sommerszeit in unserer Hütte sein soll wie ein Sonnenstrahl, und zur Winterszeit wie die Wärme des Herdfeuers.«
Mit solchen Worten suchte die Mutter ihren trostlosen Sohn zu beruhigen, suchte ihn zu überreden, daß er von dem gefährlichen Orte wiche, an dem er nun zu bleiben entschlossen schien. Ganz so wie sie zu Hamish gesprochen hatte, wenn er als Knabe unwillig oder unfolgsam gewesen war, ganz so sprach sie noch heute zu ihm, und je mehr sie daran verzweifelte, mit ihren Worten ihre Wünsche erfüllt zu sehen, desto lauter, schneller und eindringlicher redete sie.
Aber auf Hamish machten all ihre Worte keinen Eindruck, war ihm doch die wirkliche Beschaffenheit des Landes besser bekannt als ihr, und wußte er doch nur allzu gut, daß es im ganzen Hochlande, wenn sich auch vielleicht in seinen höheren Gebirgsstrichen jemand als Flüchtling eine Weile lang fristen könnte, doch schon lange kein Winkelchen mehr gäbe, wo sich seines Vaters Handwerk noch hätte ausüben lassen, ganz abgesehen davon, daß ein Räuberleben kein Weg mehr zu Ehren und Auszeichnungen sei. Zu dieser Wahrheit hatte Hamish, so niedrig der Stand seiner eigentlichen Bildung war, die Aufklärung der Zeit, in der er lebte, geführt.
Elspat verschwendete mithin all ihre Reden an taube Ohren und erschöpfte sich vergebens in Versuchen, die Gegend, wo die Verwandtschaft seiner Mutter noch heute lebe, ihm in gleißenden Farben und mit schmeichlerischen Worten zu schildern. Stundenlang redete sie, aber immer umsonst, und keine Antwort vermochte sie ihm abzugewinnen außer Tränen, Seufzern und Ausrufungen, äußerster Verzweiflung.
Endlich sprang sie auf. Aus dem ruhigen Tone, in welchem sie das Land gepriesen hatte, wohin sie flüchten wollte, in die kurze rauhe Sprache finsterer Leidenschaft verfallend, rief sie zornig:
»Ich Törin, daß ich meine Worte an einen trägen Burschen von schwächlichem Mut und ärmlichem Verstand verschwende, der sich wie ein Hund vor der Peitsche duckt. Bleib hier und erwarte deine Vögte, sowie deine Züchtigung von ihren Händen! Aber glaube nicht, daß es deiner Mutter Augen mit ansehen werden. Ich könnte es nicht, es wäre mein Tod! Dem Tod sah ich oft ins Auge, niemals aber der Schande. Leb' wohl Hamish! Wir sehen uns niemals wieder!«
Schnell wie ein Kiebitz schoß sie aus der Hütte, im Augenblick vielleicht tatsächlich willens, auf immer von ihrem Sohne zu scheiden. Wer sie diesen Abend getroffen hätte, gleich einem ruhelosen Gespenst durch die Wildnis streifend, im Selbstgespräch mit
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