Die Hoehle der Traenen
kann.«
Bramble zögerte. Was, wenn er Recht hatte? Sie zog Ash beiseite.
»Willst du die Steine deuten?«, fragte sie.
Ash schaute zu Acton hinüber. »Um zu sehen, was die Götter sagen? Du hast Recht, das ist jetzt ein guter Zeitpunkt.«
Er hatte kaum etwas gesagt, seit die Windgeister aufgetaucht waren, hatte lediglich die Nachricht in Bezug auf den neuen Stein, Gleichheit, verbreitet und verkündet, dass sie nach dieser Krise eine neue Welt erwartete. Bramble glaubte ihm. Die Welt veränderte sich. Aber irgendwie konnte sie
die neue Welt nicht sehen. Sie schien zu weit weg, als hätte sie, Bramble, nur die Zeit, in der sie lebte, Moment für Moment. So wie der Jäger gelebt hatte, Moment für Moment.
Gemeinsam durchschritten sie das Ritual, und Ash untersuchte die Steine. »Sie sagen, wir müssen uns schneller fortbewegen.«
»Aber das können wir doch nicht!«, sagte Bramble verzweifelt. »Das würden die Pferde nicht aushalten.«
»Es gibt da noch eine andere Möglichkeit.« Er zögerte, als wäre er im Begriff, etwas zu sagen, das nicht für ihre Ohren bestimmt war. Baluch, der neben ihm saß, legte ihm die Hand auf den Arm.
»Bramble ist ihr schon begegnet«, sagte er beruhigend zu ihm.
Ash wirkte überrascht. »Du bist dem Fluss begegnet?«
Bramble schüttelte den Kopf. »Ihr nicht. Ich bin dem See begegnet.«
Baluch machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist das gleiche Wesen in einer anderen Form.«
»Der Fluss ist die kleine Schwester des Sees«, sagte Ash, als plappere er etwas nach, das er schon viele Male gehört hatte.
»Alle Flüsse, alle Wasserläufe, alle Seen in den Elf Domänen sind ein Teil von ihr«, sagte Baluch sanft. »Deswegen können wir sie überall hören.« Er schaute Bramble an. »Wenn du möchtest, wird sie uns auf dem Lauf des Flusses nach Sanctuary mitnehmen.«
Auf dem Lauf des Flusses, dachte sie. Schneller als Pferde? So wie Acton in die Höhle der Tränen gekommen war? Acton trat näher und hörte interessiert zu, und Ash setzte sich zurück und schwieg.
»Wird sie auch Acton mitnehmen?«, fragte Bramble.
Ash und Baluch dachten beide darüber eine Weile nach,
so als hörten sie zu, wie jemand redete. Dann schüttelten sie den Kopf. Acton trat beiseite, dieses eine Mal mit ausdrucksloser Miene.
»Es tut mir leid, Bramble«, sagte Ash, erweckte dabei aber den Eindruck, als sei das Gegenteil der Fall. »Wir werden ihn ein zweites Mal erwecken müssen, wenn wir dort sind.«
Der Gedanke ließ es Bramble speiübel werden. Als sie noch nicht gewusst hatte, was es dazu bedurfte, war sie dazu in der Lage gewesen. Aber Acton absichtlich wieder in die Dunkelheit jenseits des Todes zu verbannen und dann alles noch einmal durchzumachen … »Nein«, sagte sie.
»Bramble …«, sagte Ash aufgebracht.
»Wenn ihr beide weg seid, können wir ein schnelleres Tempo einschlagen«, sagte sie schroff. »Ich kann abwechselnd eines der Pferde nehmen und querfeldein reiten. Wir werden viel früher dort sein. So ist es besser.« Sie zwang sich dazu, ihn anzugrinsen. »Schließlich seid ihr alle keine guten Reiter.«
Immerhin gab es keinen Streit darüber, dass sie allein nicht in Sicherheit war. Einen besseren Beschützer als Acton konnte sie nicht haben. Seine eigenen Leute verehrten ihn, und die Wanderer versetzte er in Angst und Schrecken.
»Du wirst nicht mit ihm reden können«, warnte Ash.
Sie zuckte mit den Schultern. Das konnte eine Erleichterung sein.
Ash schaute sie an, Mitgefühl in seinem Blick. »Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es jetzt.«
Sie hatte tatsächlich etwas zu sagen und wusste, dass sie dies lieber überzeugend vortragen sollte. Sie umrundete das Feuer und trat auf Acton zu, der sich gerade von Baluch verabschiedete.
»Ich möchte etwas klarstellen«, sagte sie. »Wir werden uns nicht hier dem Zauberer entgegenstellen. Wir werden
so schnell wie möglich nach Turvite gehen. Ich werde nicht auf dich warten. Ich werde nicht die Augen verschließen. Was immer du für Träume hast, eine Armee aufzustellen und auf Turvite zuzumarschieren, vergiss sie. Das wird nicht noch einmal geschehen.«
»Dieses Mal will ich die Stadt beschützen«, antwortete er und hielt dann inne. »Auf diese Art werde ich einen Teil meiner Schuld begleichen.«
»Du bist nicht hier, um zu kämpfen«, sagte sie. »Du bist hier, um anderen zu helfen, nicht um zu führen.«
Er lächelte sie an. Es hatte ein wenig von seinem täuschenden Lächeln, doch es war viel wärmer und
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