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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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ansetzen zu müssen. Nein, damit hatte es nichts zu tun, überhaupt nicht. Es lag daran, weil es ihm zunehmend schwerer fiel, nicht auf das entsetzliche Wimmern der Geister zu reagieren, die sie getötet hatten. Mit jedem Opfer wurde das Geräusch lauter, obwohl es außer ihm keiner hören konnte. Bei jedem Morgengrauen und jeder Abenddämmerung bevölkerten die verzerrten Schatten sein Sichtfeld immer mehr, wanden sich auf ihn zu gegen eine unsichtbare Barriere. Die Vorstellung, was geschehen würde, wenn diese Barriere brach, verursachte ihm Albträume, und er schauderte.
    In einer Ecke des Hofs verschlangen die Windgeister die sterblichen Überreste des Opfers. Saker wandte sich von dem Anblick ab. Es war besser, wenn er sich dieser ganzen Zeremonie fernhielt, damit er nicht vor den Augen seiner Armee zusammenbrach.
    Sie hatten sich gruppenweise für den Marsch zusammengetan, vorne gingen die Geister, dahinter folgten die menschlichen Verbündeten. Es wurde Zeit, dass er sich ihnen anschloss.
    Als er aus dem Haus in das helle Licht der aufgehenden Sonne trat, flog der führende Windgeist wie ein Wolkenfetzen auf ihn zu und verweilte über ihm.
    »Meister«, sprach er Saker an. »Heute geht Ihr in die Stadt der Frau.«
    »Welcher Frau?«
    Der Windgeist zitterte. »Der Zauberin, die vor langer Zeit die Abmachung getroffen hat. Die Abmachung ist dort stark. Zu stark, als dass wir Euch folgen könnten. Es sei denn, Ihr reißt die Mauern ein und ladet uns ein. Vermögt Ihr das?«
    Saker spürte, wie sich seine Stimmung aufhellte. Endlich
eine Schlacht ohne das grauenhafte Schrillen der Windgeister. »Ich werde es versuchen«, sagte er gnädig.
    »Ruft uns, und wir werden kommen.« Der Windgeist schoss hoch in die Luft hinauf, und seine Gefährten gesellten sich zu ihm, bis sie nur noch als Flecken am Himmel zu erkennen waren. Dann waren sie verschwunden.
    Saker sah wieder nach unten und bemerkte eine Frau, die durch das Tor in den Hof schritt. Sie blieb einen Moment stehen und starrte auf die Geister. Dann zuckte sie mit den Schultern und trat ein. Es war eine junge, schwarzhaarige Frau, die sich mit der Anmut einer Akrobatin bewegte. Saker wurde sich bewusst, dass er sie anstarrte, und lief rot an.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal eine Frau so angesehen hatte.
    Sie stellte einem der Lebenden eine Frage und kam dann auf ihn zu. Er sah ihr an, dass sie in jüngster Zeit viel geweint haben musste. Sein Herz zog sich vor Mitleid zusammen.
    »Ich heiße Zel«, sagte sie. »Mein Bruder wurde von Thegan in Sendat getötet.«
    Sie ist gekommen, um mir Vorwürfe zu machen, dachte Saker sofort. Und sie hat Recht – ich bin verantwortlich für diese Morde.
    »Also, kann ich mich euch anschließen?«
    Es war, als würde sie ihm eine Gnadenfrist geben; sie machte ihn nicht verantwortlich. Er nickte. »Willkommen, Zel«, begrüßte er sie. Sie bewegte ruckartig den Kopf, so als wisse sie nicht, was sie sagen sollte, habe jedoch das Gefühl, sie solle etwas sagen. Er streckte die Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter. »Bleib heute an meiner Seite«, sagte er, »dann erkläre ich dir unsere Pläne.«
    Sie lächelte ihn zaghaft an; zu mehr war sie wahrscheinlich nicht im Stande, mutmaßte er. Ihr Kummer ging tief, ganz tief. Freite hatte ihn gelehrt, wie man auf die Kraft solcher
Gefühle zurückgreifen konnte, doch das brauchte er nicht. Die Geister gaben ihm all die Kraft, die er benötigte. Diese Erkenntnis führte dazu, dass er sich leicht fühlte, befreit von der Vergangenheit. Er ging mit Zel an die Spitze der Armee und stieg auf den ersten Karren.
    Owl, Oak und sein Vater warteten bereits darauf, dass er die Führung übernahm.
    »Das ist Zel«, sagte er zu ihnen. »Sie hat wie wir alle schwer unter den Kriegsherren gelitten.« Sie nickten ihr respektvoll zu, und Oak lächelte sie an, was einen Anflug von Eifersucht in Saker auslöste. Er strich ihr mit der Hand über den Rücken, um sie an ihren Platz zu leiten, und stellte fest, dass Oak die Berührung registrierte.
    »Kommt«, sagte er und erhob seine Stimme dabei, sodass sie ihn alle hören konnten. »Lasst uns Turvite einnehmen.«
    Unter dem Jubel der Menschen und den todbringenden Schlagzeugen der Geister, die ihre Waffen gegeneinanderschlugen, setzten sie sich in Bewegung. Auch ohne die Windgeister waren sie unbesiegbar.
    Saker und Zel unterhielten sich, und so erfuhr er, dass ihr Bruder Sänger und sie selbst Akrobatin gewesen war, wie er

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