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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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betrachtete sie mit einem abschätzenden Blick, so wie er eine Fremde ansehen würde, so wie er Tern, die Zauberin, auf der Landspitze außerhalb von Turvite angesehen hatte. Er misstraute ihr. Sie war unmittelbar vor seinem Tod aufgetaucht, und hier stand sie nun vor ihm, tausend Jahre später, unverändert. Natürlich misstraute er ihr. Aber der Blick kränkte sie.
    Sie fühlte sich leer, so als würden ihre Rippen einen Hohlraum umgeben. Falls sie sich diesem Gefühl hingab, würde es sein, als bräche sie auseinander und als polterten ihre Knochen auf die weinenden Felsen. Sie würde ihm gegenüber keine Schwäche zeigen. Er beschützte die Schwachen, er übernahm Verantwortung für die Schwachen, und sie würde sich lieber misstrauen lassen, als zuzulassen, dass er väterliche Gefühle für sie hegte.
    »Es gibt eine Menge zu erklären«, sagte sie forsch. »Aber wir können unterwegs noch reden. Wir müssen nach Sanctuary.« Sie begann damit, seine Knochen wieder in die Satteltaschen zu packen. Die Haare des Rotschimmels klebten mit ihrem Blut an Actons Schädel. Dies erschien irgendwie passend, und so beließ sie sie dort, wobei sie den Schädel so legte, dass die Haare nicht abgerieben werden würden. Wider alle Vernunft hatte sie das Gefühl, als würde der Rotschimmel Acton irgendwie beschützen.
    »Warte«, sagte er, während er, nun plötzlich begreifend, die Knochen anstarrte. »Ihr habt meinen Geist erweckt?« Er sah erst Baluch, dann Ash und schließlich Medric an. »Warum?«
    »Für Erklärungen haben wir jetzt keine Zeit«, antwortete Bramble. »Wir werden es unterwegs klären.«
    »Tatsächlich?«, fragte Ash trocken. »Und ihr wisst auch, wie man hier herauskommt?«

    »Du bist hereingekommen«, sagte sie. »Kennst du dann nicht auch den Weg hinaus?«
    »Auf dem Weg, auf dem wir gekommen sind, kann man nicht reisen«, sagte Baluch.
    Bramble zog die Zugleine der Taschen zu und schloss die Klappen. Das Blut war in den Stoff des Schals gesickert und getrocknet, obwohl die Flecken auf ihrer Jacke nach wie vor feucht schimmerten. Es war nur ihr Blut, nicht seines; sie zog ihre Jacke an und hängte sich die Taschen über die Schulter.
    »Ich vermute, das, was euch hierher geführt hat, kennt den Weg«, sagte sie.
    Baluch und Ash wechselten einen nicht zu deutenden Blick, und dann sah sie, wie Baluchs Augen unkoordiniert zuckten, so wie bei der Quelle der Geheimnisse, wenn sie mit den Göttern in Verbindung trat.
    »Jawohl«, sagte Baluch langsam. »Wir werden geführt werden.«
    Er hatte mit Bedacht vermieden zu sagen, wer sie führen würde. Doch Bramble hätte darauf gewettet, dass es der See war, der irgendwie die Fühler ausstreckte. »Gut, dass sie auf unserer Seite steht«, sagte sie. Ash und Baluch wirkten verdutzt, und sie musste lachen.
    Sie wusste, dass die anderen es nicht lustig finden würden, aber es scherte sie nicht. Kummer und Verlust schritten neben ihr her, das Gesicht eines Mannes tragend, der tausend Jahre tot war. Um damit umgehen zu können, blieb ihr gar nichts anderes übrig, als darüber zu lachen. Dann grinste Acton sie an, wobei seine Augen ob der geteilten Belustigung über Baluchs Unbehagen aufleuchteten. Das Herz wurde ihr ein wenig leichter. So närrisch zu glauben, er werde sie lieben, war sie nicht. Konnten Geister überhaupt lieben? Sie wusste, dass das, was sie empfand, nicht
erwidert wurde. Aber vielleicht konnten sie wenigstens Gefährten sein.
    Dann geriet sie auf dem unebenen Boden ein wenig ins Straucheln, und instinktiv streckte Acton die Hand aus, um sie am Ellbogen zu stützen.
    Sie rechnete damit, seine Hand werde durch sie hindurchgleiten, doch er richtete sie auf. Er war stofflich. Die Kälte der Grabhöhlen kroch in ihren Körper, von der Stelle, an der er sie berührte, den Arm hinauf und schloss ihr Herz eiskalt ein. Doch er war stofflich wie die Geister des Zauberers. Er hatte sie berührt.
    Ash blickte erstaunt zu ihnen.
    Acton starrte auf seine Hand. Auch er hatte nicht damit gerechnet. »Also …«, sagte er dann, und seine Hand fuhr dorthin, wo sein Schwert hätte hängen sollen. Aber er hatte es zu jenem Treffen mit Asgarn vor tausend Jahren nicht mitgenommen. Stattdessen wollte er nun sein Gürtelmesser ziehen, doch dieses war auf den Boden der Höhle gefallen, als Red mit dem Messer auf ihn eingestochen hatte. Er wandte sich an Baluch. »Ich werde Waffen brauchen.«
    Auf Baluchs Gesicht bildete sich ein Lächeln, und er trat vor, um Actons

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