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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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konterte Flax vergnügt. »Reiten ist genauso kompliziert.«
    Rowan hob die Brauen und lehnte sich auf seinem Sattel bequem zurück, während er darüber nachdachte. Das wiederum beschwichtigte Mud, und nun folgte er Flax und Cam willig, während sie das flache Tal, das zurück nach Gabriston führte, durchquerten.
    Die anderen Sänger und Musiker hatten es einer nach dem anderen verlassen, waren mit einem schlichten »Wind in deinem Rücken«, dem Abschiedsgruß der Wanderer, in der Dunkelheit verschwunden.

    Die Pferde benötigten das Tageslicht, um sich ihren Weg entlang der felsigen Hänge, welche die Tiefe umgaben, zu bahnen. Er und Rowan hatten deshalb bis zum Morgengrauen gewartet. Rowan hatte auf einem Fels gesessen und Flöte gespielt, während Flax beide Pferde geputzt und gestriegelt und sich vergewissert hatte, dass sie reisefertig waren. Jeder ging seinem Gewerbe nach, so dachte er, und er selbst war in dieser seltsamen Zeit in der Tiefe ein Lehrling gewesen. Ein Jüngling, der gerade die ersten Noten eines neuen Liedes lernte.
    Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er sah, wie sich die Schlucht vor ihnen öffnete und die steile Felsspalte sich im Tageslicht verbreiterte, um das dahinter liegende Tal zu offenbaren. Für den Moment musste er alle Gedanken an die Tiefe verdrängen, alle Erinnerungen an den Fluss, deren Wasser wie Seide und Blut über seine Haut geflossen war, alle Gedanken an die Feuer in den Höhlen, wo die Dämonen ihm Geheimnisse beigebracht hatten. Eine Woge der Begeisterung überspülte ihn, und er fühlte sich auf prickelnde Weise lebendig. Nun wurde er wirklich ein Mann! So lange Zeit war er Zels kleiner Bruder gewesen, war ihr überallhin gefolgt, hatte getan, was sie ihm aufgetragen hatte. Aber dies hier war jenseits ihres Lebens, war ihr verboten, und ganz gleich was sie sagte, er würde im nächsten Jahr wieder hierherkommen, um mehr zu erfahren. Um ein Mann wie Ash zu werden. Ein Mann, der keine Furcht kannte, nicht einmal vor Kriegsherren und ihren Männern.
    Er drehte sich im Sattel um und lächelte Ashs Vater zu, der Kenntnisse anderer Art besaß, die er ihm beibringen konnte. Wenn er daran dachte, dass Ashs Mutter die legendäre Swallow war, wurde er ganz aufgeregt. Aus dem Mund anderer Musiker auf Wanderschaft hatte er schon so oft von ihr gehört, von ihrer Stimme, ihrer Begabung, ihrer Hingabe.
Wenn jemand ihn lehren konnte, was er über das Singen noch wissen musste, dann war sie es.
    »Wenn wir nach Gabriston kommen«, sagte er zu Rowan, »werden wir ein wenig Silber verdienen müssen.«
    Rowan schüttelte den Kopf. »Nein, so nah nicht. Nie so nah an der Tiefe, wenn man von dort kommt oder dorthin geht. Swallow ist in Baluchston. Wir werden uns direkt dorthin begeben. Aber die Schluchten verändern sich«, fügte er dann hinzu. »Jedes Jahr liegen sie anders. Ich folge einfach der Sonne.«
    So bahnten sie sich einen Weg zu einem Pfad, der zu einer Klippe führte. Auf ihr hofften sie, Gabriston zu umgehen und einen Nebenweg nach Baluchston zu finden.
    Rowan stieg mit einiger Mühe von Muds Rücken ab. Am kommenden Tag würde er wunde Stellen haben.
    »Achte darauf, dass du dir heute Abend die Beine vertrittst«, sagte Flax. »Sonst kannst du morgen nicht einmal mehr gehen.«
    Rowan schnitt eine Grimasse und starrte zur Klippe hinauf. Dann blickte er zweifelnd Mud an.
    »Ich werde euch führen«, sagte Flax und grinste dabei. Cam war froh darüber, geführt zu werden, und Mud war froh darüber, Cam einfach nur folgen zu müssen.
    Der Anstieg war schwierig, aber Flax stellte fest, dass er seltsam zufrieden war. Immer schon hatte er sich gewünscht, sein Leben solle aufregend sein, und seit er Ash begegnet war, war es das tatsächlich geworden. Es stand Großes auf dem Spiel – Leben und Tod, die Zukunft der Welt. Er fing an zu singen, ohne überhaupt darüber nachzudenken, wie er es häufig tat. Er war ein Hochzeitslied aus der South Domain.

    Ein neuer Tag, ein neuer Tag,
Same und Frucht,
Frucht und Same.
Ein neues Leben, ein neues Leben,
Baum und Wurzel,
Wurzel und Baum.
Wachsen, wachsen, wachsen …
    Rowan lächelte. »Denkst du daran, dich sesshaft zu machen?«
    Flax lachte. Er war viel zu zufrieden mit sich, als dass ihn die Frage in Verlegenheit gebracht hätte. In geselligem Schweigen setzten sie ihren Aufstieg fort.
    Während des gesamten Nachmittags begegnete ihnen keine Menschenseele. Die Weinstöcke auf den Feldern waren vernachlässigt. Reif

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