Die Höhle in den Schwarzen Bergen
wann er wollte, und war immer aufmerksam wie ein Wildtier, das viele Feinde hat. Es schien ihm zweckmäßig, sich nirgends festzusetzen, sondern jeden Tag woanders zu sein. So häuften sich seine Fährten nirgends und konnten zwischen denen umherschweifender Jäger kaum auffallen.
Harkas Vorhaben war, den Hang und die geschützte Lichtung aufzusuchen, auf der im vorvergangenen Winter die Zelte der Bärenbande gestanden hatten, ehe die Gruppe im Frühling unter Mattotaupas Führung zum Pferdebach aufgebrochen war. Nahe dieser Lichtung befand sich die Höhle, in der es ein Geheimnis gab. In der letzten Nacht vor dem Aufbruch der Zelte hatte Mattotaupa seinem Sohn dieses Geheimnis einer Höhle, die als Zauberhöhle galt, enthüllen wollen. Infolge merkwürdiger Ereignisse war es nicht mehr dazu gekommen.
In seinen geheimsten Gedanken plante Harka, noch einmal diese Höhle aufzusuchen. Vielleicht konnte er irgend etwas finden, was darauf schließen ließ, daß sie anderen Menschen bekannt war. Vielleicht zog es auch Mattotaupa zu dieser Höhle, deren Geheimnis er besaß und deren Geheimnis so verhängnisvoll für ihn geworden war. Vielleicht konnte Harka bei dieser Höhle seinen Vater oder dessen Spur finden.
Sein Vertrauen in die Aufrichtigkeit und Unschuld des Vaters war unerschütterlich, aber gegen Red Jim, mit dem Mattotaupa unterwegs sein sollte, hatte sich in Harka in der Zeit der Verbannung ein wachsendes Mißtrauen herausgebildet.
Das Mißtrauen gegen Jim ging bei Harka so weit, daß er ihn auch in dem unbestimmten Verdacht hatte, er wolle bei der Zauberhöhle herumspionieren, und es zog Harka unwiderstehlich, sich in diesen Dingen, die für sein Leben entscheidend geworden waren, vollständige Gewißheit zu verschaffen.
Langsam, auf vielen Zickzackwegen, näherte sich der junge Indianer den Südhängen des Bergstockes. Die Spuren, die er beobachtete, warnten ihn vor zahlreichen Dakota, die irgendwo in den Wäldern ihre Winterquartiere bezogen haben mußten und auf Jagd umherstreiften. Er zog sich deshalb in noch größere Höhen zwischen bizarr aufragende Felsen zurück. Von dort aus drang er dann mehrmals in die unmittelbare Umgebung der Höhle und in die Nähe der Lichtung vor, auf der vor zwei Jahren die Zelte der Bärenbande gestanden hatten. Ein Windbruch hatte die Gegend verändert, und Harka stellte fest, daß diese Lichtung, überhaupt der ganze Berghang, zur Zeit nicht bewohnt war. Auch Spuren von Jägern waren hier nicht vorhanden, wohl aber die Fährte eines einzelnen ledigen Pferdes mit unbeschlagenen Hufen. Harka ging dieser Fährte nach, da sie ihn wundernahm, konnte aber das Tier nicht finden. Alte und neue Spuren mischten sich wirr, und Harka gab die Suche vorläufig auf, da sie ihm zu zeitraubend wurde. Er hatte sich überzeugt, daß der Mustang reiterlos war.
Eines Nachts faßte der junge Indianer endgültig den Entschluß, in die Höhle einzudringen. Der Eingang und die Strecke bis zu einem unterirdischen Wasserfall waren ihm bekannt. Da er damit rechnete, daß er sich längere Zeit in der Höhle aufhalten würde, brachte er seinen Grauschimmel auf eine nur schwach verschneite Waldwiese, auf der das Tier besseres Futter fand als seit Tagen und von der es sich sicher nicht so rasch entfernte. Würde das doch der Fall sein, konnte er es nach den Fährten im Schnee leicht finden. Er ließ das Tier daher unbewacht und frei stehen und weiden, nahm ihm auch den Zügel vom Unterkiefer ab. Die Büffelhautdecke, die Harka auf seinem Gang nicht gebrauchen konnte, blieb dem Tier aber umgeschnallt. Er selbst machte sich in der noch ungebrochenen Dunkelheit zu dem Höhleneingang auf. Der Eingang zur Höhle befand sich inmitten einer Felswand, die sich aus dem Waldhang senkrecht erhob. Für einen Alleingänger war es schwierig, von unten hinaufzuklettern, da der Fels sich unterhalb des Höhleneinganges vorwölbte. Das einfachste war, ein Lasso an einem Baum oberhalb der Felswand zu befestigen und sich daran bis zu einem Felsvorsprung herabzulassen, von dem aus man ohne große Schwierigkeit um einen Felsbuckel herum zum Höhleneingang queren konnte. Diesen Weg hatte vor einundeinhalb Jahren Mattotaupa mit seinem Jungen gemacht, und Harka wollte ihn jetzt wieder wählen. Vorher aber erkletterte er einen der hohen Bäume unterhalb der Felswand, um aus dem Gezweig heraus zu der Wand und dem schwarzen Loch hin zu spähen, dem Maule der Höhle, aus dem in der kalten Jahreszeit dampfender Atem zu dringen
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