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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hatte keine Zeit mehr zu überlegen. In instinktivem überwältigendem Haß gegen jeden möglichen fremden Eindringling und in dem Gefühl, von dem anderen angegriffen zu werden, wenn er nicht selbst angriff, riß er das Dolchmesser heraus.
    Das war die ihm von Kind an gewohnte Waffe, und seine Hand griff rascher danach als nach dem Revolver, mit dem er erst seit einem Jahr umzugehen gelernt hatte. Er stach mit aller Kraft zu und traf in einen Körper. Als er die Hand mit der Waffe ebenso schnell zurückziehen wollte, wurde er gepackt. Er hatte seinen Biberpelzrock an und den Bogen über der Schulter. Die zugreifenden Hände fanden leicht Halt. Aber so wenig Harka in der Finsternis genau hatte bemerken können, wohin er mit dem Messer stieß, so wenig hatte der andere gut zupacken können. Harka riß seinen geschmeidigen Körper blitzschnell zurück und ließ den Biberpelzrock in den Händen des anderen. Was aus dem Bogen wurde, wußte er in diesem Augenblick nicht. Kaum befreit, spürte er den stinkenden großen, mächtigen Körper schon wieder vor oder über sich. Er warf sich zu Boden und glitt zwischen den stark beschuhten Füßen des anderen durch, auch durch das Wasser, das seicht über den Höhlenboden strömte. So gewann er das jenseitige Felsufer. An dem Zugriff des Unbekannten hatte Harka, obgleich er sich ihm noch einmal zu entziehen gewußt hatte, doch gespürt, daß er selbst der Unterlegene war. Er sann auf Flucht. Wohin? Noch tiefer in die Höhle hinein wagte er sich nicht, denn er konnte sich dort ausweglos verirren oder irgendeine Wand finden, bei der es nicht mehr weiterging und wo der Feind ihn einholte. Zum Ausgang vermochte er ohne Kampf kaum mehr zu gelangen; zwischen diesem und ihm stand der Unbekannte, den Harka zwar nicht sehen konnte, der aber sicher auf ihn lauerte. Harka mußte sich entweder vom Wasserfall hinabreißen lassen oder versuchen, in den Höhlenarm hinaufzugelangen, aus dem das Wasser herunterschoß. Dann blieb er wenigstens in übersehbaren, mit einem Ausgang sicher eng zusammenhängenden Teilen der Höhle.
    Der Ausweg, sich von dem donnernden Wasserfall mitreißen zu lassen, schien Harka trotz aller Gefahren der gangbarste, denn er hatte mit dem Vater zusammen draußen am Berg die Stelle gesehen, wo das Wasser ans Tageslicht kam, und der Vater hatte gesagt, daß ein Mensch dort hindurchgelangen könne.
    Da Harka jetzt ruhiger überlegen konnte als im ersten Augenblick des überraschenden Zusammentreffens, zog er vorerst den Revolver und entsicherte ihn. Er fing auch an sich zu wundern, daß der andere nicht von seiner Schußwaffe Gebrauch machte, wie sie ein weißer Mann doch sicher besaß.
    Der junge Indianer lehnte sich an die Wand, um auf alle Fälle Rückendeckung zu haben. Vielleicht stand der andere nur eine Armlänge entfernt von ihm. Seine Augen waren nicht zu sehen. Das Dröhnen des Wassers verschlang jeden schwächer aufklingenden Laut, und Harka konnte sich getäuscht haben, als er glaubte, ein Keuchen zu vernehmen. Aber jetzt hatte er wieder diesen Geruch dicht vor sich. Er drückte ab, zweimal schnell hintereinander, und das Krachen der Schüsse durchdrang mit vielfältigem Echo selbst das Dröhnen des Wasserfalls. In demselben Augenblick wurde ihm die Waffe aus der Hand gewunden. Er hatte also schlecht getroffen. Der andere besaß Bärenkräfte und war kampfgeübt. Harka überrumpelte ihn aber noch einmal mit einer kühnen Eingebung des Augenblicks. Während die feindlichen Arme ihn wie Eisenklammern umschließen wollten, sprang und wand er sich hoch, trat dabei dem Feind kräftig gegen den Magen, gelangte auf seine Schultern und schnellte sich von da mit artistischer Gewandtheit in die Höhe, hinauf in den Seitenarm der Höhle, aus dem das Wasser in den Hauptgang hereinschoß. Der Fremde brüllte einen lästerlichen Fluch, und an diesem Fluch erkannte der junge Indianer den anderen sofort. Dieser Mann, mit dem er gekämpft hatte, war niemand anderes als Red Jim. Harka hatte im Abschnellen auch noch gespürt, wie der andere vor Verblüffung den Halt verlor. Vielleicht stürzte er. Das konnte der junge Indianer in diesem Augenblick nicht mehr mit Sicherheit wahrnehmen. Er hatte genug mit sich selbst zu tun. Das eisig kalte Wasser schoß ihm über den Kopf. Er versuchte, sich mit Händen und Knien rechts und links anzuklammern und abzustemmen. Es wollte ihm kaum gelingen, aber die Gefahr, in der er sich befand, verdoppelte seine Kräfte, und er rutschte nicht ab,

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