Die Höhle in den Schwarzen Bergen
um in unseren Zelten zu wohnen. Wir haben genug Krieger, und unsere Waffen sind siegreich. Unsere Zelte sind versorgt mit dem Fleisch von Büffeln, Antilopen und Hirschen. Wir brauchen keine Hilfe. Aber wer stark ist, wird sich nicht schämen, noch stärker zu werden, und wo tapfere Krieger wohnen, wird ein ausgezeichneter Krieger immer noch willkommen sein. Darum wollen die Geister dir und deinem Sohne nicht verwehren, in unseren Zelten zu wohnen, wenn der Rat der Krieger und Ältesten und unser Häuptling dem zustimmen. Ihr werdet unsere Gäste sein, bis vielleicht nach mehreren Sommern und Wintern die Ratsversammlung beschließen kann, daß ihr als Krieger in unseren Stamm aufgenommen werden sollt.«
Nachdem der Zaubermann den beiden Dakota seine Gedanken ausgedrückt hatte, legte er sie dem Häuptling in der Schwarzfußsprache dar, und dieser bezeigte seine Zustimmung.
»Als unsere Gäste«, fuhr der Zaubermann fort, »sollt ihr euch als unsere Brüder bewähren, so wie ihr es schon getan habt, als ihr uns zu Dunklem Rauch führtet. Eure nächste Aufgabe wird schwieriger sein.«
»Nenne Sie!« bat Mattotaupa kurz.
»Wir haben die Spur eines Mannes entdeckt, der des Nachts heimlich zu unseren Zelten geschlichen ist. Wir glauben, daß er mit dem Dakotamädchen gesprochen hat. Das Mädchen ist eine Tochter aus den Zelten, denen Tashunka-witko, der junge Häuptling, vorsteht. Es kann sein, daß die von ihm geführten Dakota einen neuen Überfall auf uns planen. Es kann sein, daß der Kundschafter, der hier gewesen ist, vorher noch einmal kommt. Dann wollen wir versuchen, ihn zu fangen. Auf alle Fälle müssen wir das Mädchen beobachten und sie belauschen, wenn sie heimlich mit einem Dakota spricht. Das vermag niemand besser als du, denn du kennst ihre Sprache. Bist du bereit, uns zu helfen?«
»Hau, ja!« erwiderte Mattotaupa, ohne den Blick zu senken oder die Farbe zu wechseln.
»Dann werden wir dir und deinem Sohne ein eigenes Zelt geben, und wir geben dir dieses Dakotamädchen als deine Tochter. So kannst du ihr Tun und Treiben am besten beobachten.«
»Hau, ja«, wiederholte Mattotaupa, aber diesmal klang seine Stimme verändert. Niemand wußte, ob der Zauberer den Wechsel des Stimmklangs beobachtet hatte.
Der Geheimnismann verständigte den Schwarzfuß- häuptling über die getroffene Abrede. Dann verabschiedete er die beiden Männer, und sie gingen mit dem Jungen zusammen hinaus.
Es war Nachmittag. Viele Krieger waren auf Jagd unterwegs. Die Buben tummelten ihre Pferde jenseits des Baches und übten Reiterkunststücke. Bei den meisten Zelten war eine Plane hochgeschlagen, so daß Licht und Luft hereinkam und jedermann sehen konnte, womit die Zeltbewohner beschäftigt waren. Die Frauen und Mädchen reinigten Töpfe und Decken, richteten neues Holz in den Feuerstellen, schnitten Leder zu, nähten mit der beinernen Ahle oder stickten, indem sie die langen gefärbten Stacheln des Stachelschweines auf das Leder aufnähten.
Der Häuptling führte die Gäste wieder zu seinem eigenen Zelt und ließ das Dakotamädchen rufen. Er zeigte ihm die Stangen und Planen zu einem zweiten Zelt, die er besaß, und wies es mit einer befehlenden Armbewegung an, davon aufzupacken, soviel es zunächst tragen konnte. Mit ihm und seinen Gästen ging er zum südlichen Ende des Zeltlagers, besah mit Mattotaupa zusammen den Wiesenboden, wählte im Einverständnis mit seinem Gast eine günstige Stelle und hieß das Mädchen, mit dem Zeltbau zu beginnen. Es gehorchte schweigend, nicht unterwürfig, aber auch nicht trotzig.
Der Häuptling kehrte mit den Gästen in die eigene Behausung zurück. Er schenkte Mattotaupa und Harka Kleidung und Decken in reichem Maße. Er mußte ein großer, erfolgreicher Jäger sein, denn Büffelfelle und büffellederne Decken, Antilopenleder, Röcke, Leggings, Mokassins aus Leder lagen zu Stapeln gehäuft, und er konnte jederzeit reiche Geschenke austeilen, wie sich das für einen Häuptling geziemte. Er selbst war sorgfältig und zweckmäßig gekleidet. Harka fand jetzt zum erstenmal Zeit und Stimmung, diesen Mann in seiner persönlichen Erscheinung genauer ins Auge zu fassen. Er hatte jenen Zug um Mund und Augen, wie ihn Menschen annehmen, die zu entscheiden und zu befehlen verpflichtet und gewohnt sind, und Harka begann zu vermuten, daß dieser Häuptling nicht nur in dem kleinen Zeltdorf, in dem er sich im Augenblick befand, sondern weit darüber hinaus bei den Männern der Siksikau Ansehen besaß.
Weitere Kostenlose Bücher