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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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alle.«
    Harka äußerte dazu keine Meinung, er sagte aber: »Wenn der Schnee schmilzt und das Gras grün wird, werden die Watschitschun kommen, um euch zu bekriegen.«
    »Wir haben sie im vergangenen Sommer verjagt. Sie kommen nicht wieder.«
    »Ihr habt einige verjagt, aber viele werden wiederkommen.«
    »Bist du ein Verräter und Knecht der Watschitschun geworden? Einer von uns tötet hundert von diesen Kojoten.«
    »Aber Tausende verfolgen euch dann.« Tschetan warf zornig einen Zweig ins Feuer. »Du sprichst wie ein Feigling. Bist du nicht mehr Harka Steinhart?«
    »Wenn du die Probe machen willst, gehen wir zusammen hinaus. Ich habe keine Angst vor dir.«
    Tschetans Augen funkelten im Feuerschein. »Soll es dir ergehen wie deinem Vater?«
    Harka verstand den Sinn dieser Frage nicht, denn von Mattotaupas Erlebnis in den Zelten der Bärenbande ahnte er nichts. Er wußte daher auch nicht sogleich, was er antworten sollte oder ob er überhaupt antworten sollte.
    Tschetan hielt Harkas Schweigen für Beschämung, und sein Zorn verrauchte sofort.
    »Harka Steinhart! Was tust du auf der Seite unserer Feinde? Der große Kampf beginnt, das wissen auch wir. Komm zu uns zurück!«
    »Mit meinem Vater Mattotaupa.«
    »Mit deinem Vater Mattotaupa, wenn er tut, was die Ältesten der Bärenbande von ihm verlangen müssen.«
    Harka bewegte keinen Finger, keine Miene, kein Augenlid, als seine Lippen fragten: »Was verlangen sie?«
    »Den Skalp des Red Jim, den wir auch den Roten Fuchs nennen.«
    Harka atmete tiefer. »Ist das ein Wort der Ratsversammlung?«
    »Es gilt so.«
    »Ich werde es meinem Vater sagen.«
    Tschetan betrachtete Harka, seinen jüngeren Freund von einst, sehr aufmerksam. Harka konnte sich gut beherrschen, das wußte Tschetan, aber niemals hatte Harka unter seinen Stammesbrüdern gelogen. Ahnte er wirklich nichts von dem Gang Mattotaupas in die Zelte?
    »Eine Frage an dich, Harka Steinhart.«
    »Frage!«
    »Würdest du selbst bereit sein, uns den Skalp des Red Jim zu bringen?«
    »Hau.«
    »So komm zurück!«
    »Auch ich habe eine Frage an dich, Tschetan. Ich bin der Sohn eines Häuptlings und nicht der Sohn eines Verräters. Mein Vater ist unschuldig. Glaubst du das?«
    »Nein.«
    Harka erschrak und wurde bleich. Sein Blick, mit dem er Tschetan fest ins Auge faßte, glitt ab. Er schaute ins Feuer und zog langsam die Zweige, deren Spitzen flammten, zurück, so daß nur noch Glut inmitten der Asche glimmte. Alles schwieg und wurde regungslos, das Holz, das nicht mehr knackte, die Glut, die nicht mehr flammte, Harkas Hand, die still im Schoß lag, seine Lippen, die sich fest geschlossen hatten. Auch Tschetan wurde steif. Er brachte kein weiteres Wort mehr hervor. Das »nein« war das letzte. Auch die Nacht und der Schnee waren still dazu.
    Die beiden jungen Indianer saßen sich stumm gegenüber, bis der Morgen graute. Das Dämmerlicht fiel durch die Eisscheibe in die Hütte und beleuchtete mit grauem Licht zwei blasse Gesichter.
    Tschetan erhob sich, als ob er ein Gewicht mit sich trage. Er packte seine Waffen zusammen und kroch aus der Schneehütte hinaus, ohne Abschied, ohne Gruß; selbst den Blick hielt er vor dem einstigen Freund verborgen.
    Harka blieb allein. Er biß die Zähne aufeinander, und seine Haut zog sich straff über die Backenknochen. Er erlaubte sich selbst keinerlei Bewußtsein einer Empfindung. Als ob dieser Morgen ein ganz gewöhnlicher Morgen sei, so fachte er das Feuer wieder ein wenig an, ging zum Fluß, um sich zu waschen, und machte sich daran, im Neuschnee Wildspuren zu suchen.
    Zwei Tage später ließ er sich wieder beim Blockhaus sehen und kümmerte sich um den Grauschimmel, den Mattotaupa unterdessen versorgt hatte. Harka traf den Vater bei den Pferden, aber er schwieg und sagte kein Wort von der Begegnung mit Tschetan. Er wollte warten, bis der Vater den Charakter des Red Jim selbst erkannte und dann bereit sein würde, Jim zu töten. Eine Rückkehr zu den heimatlichen Zelten aber konnte es nur geben, wenn die Ältesten die Unschuld Mattotaupas begriffen. Anders würde Mattotaupa sich niemals dazu verstehen heimzukehren; und Harka billigte diesen Stolz, weil er selbst so empfand.
    *
    Es kam die Zeit des Jahres, in der die Tage wieder länger wurden. Der Schnee wurde rauh und verlor seinen blendenden Schimmer. Die Eiszapfen an den Bäumen und am Blockhausdach begannen zu tropfen. Raschelnd fiel Schnee von den Zweigen, polternd stürzte er unter der Einwirkung der Mittagssonne vom

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