Die Höhle in den Schwarzen Bergen
besaß.
Der Gefesselte lag nahe der Feuerstelle, so daß er beleuchtet war. Die Frau und das Mädchen saßen im Hintergrund. Der Sohn des Schwarzfußhäuptlings hatte sich neben den Gefangenen gehockt und plapperte auf schwarzfüßisch. Harka konnte die Worte nicht verstehen. Er hatte die Absicht, sich auch zu dem Gefangenen zu setzen, den er nach den Anweisungen des Vaters bewachen sollte. Aber als er eben hinzutrat, stand der Schwarzfußknabe auf und stieß den Gefesselten verächtlich mit dem Fuß an. Der Gefangene tat, als bemerke er das gar nicht, und schaute mit gespielter Gleichgültigkeit vor sich hin auf den Boden.
In Harka kämpften widerstreitende Gefühle. Es war für ihn nicht leicht, diesen gefangenen Dakota in Schutz zu nehmen, aber als der Schwarzfußknabe dem Gefesselten einen Fußtritt gab, bäumte sich alles in ihm auf. Er stellte sich vor den Schwarzfußjungen hin, stützte sich auf den Lauf seiner Büchse, musterte den anderen mit einem Blick, der durch seine Entschlossenheit überlegen war, und sagte:
»Es ist eine schlechte Sitte, tapfere Männer in Fesseln von Knaben verspotten zu lassen!«
Der andere Junge verstand diese Worte natürlich nicht, aber er merkte, daß Harka ihn irgendwie und aus irgendeinem Grunde zurechtweisen wollte. Das mißfiel ihm sehr, denn er war nicht gewohnt, sich von anderen Jungen etwas sagen zu lassen. Er war der kräftigste und gewandteste der ganzen Knabenschar im Dorfe. Am liebsten hätte er Harka sofort angesprungen, aber eine Rauferei im Zelt und zudem noch in diesem Augenblick entsprach nicht dem, was ein Schwarzfußhäuptling von seinem Sohn zu erwarten pflegte.
Der Junge mußte sich daher beherrschen, obgleich es ihm sehr schwerfiel. Langsam ließ er sich wieder nieder. Er setzte sich nicht neben Harka, sondern auf die andere Seite des Gefangenen. Es war still im Zelt, nur die Zweige knisterten im Feuer. Die beiden Jungen saßen unbeweglich da wie Bildsäulen. Sie dachten ebensoviel aneinander, wie sie an den Gefangenen dachten. Die stolzen, völlig abweisenden Züge des Gefesselten ließen ihn auch ohne Adlerfedern und ohne Waffen als einen bedeutenden Mann und Krieger erscheinen.
Der Schwarzfußjunge war innerlich mit sich selbst zerfallen, weil er als Knabe einem mutigen Feind nicht auf die rechte Weise begegnet war. Er sann darüber nach, wie er sich mit Harka, der ihn das hatte fühlen lassen, bei einer anderen Gelegenheit würde messen können, um ihn zu zwingen, ihn wieder anzuerkennen.
Dieser fremde Junge beschäftigte den Sohn des Schwarzfußhäuptlings außerordentlich, obgleich er sich im Augenblick einbildete, daß er ihn nicht leiden mochte. In Wahrheit wäre er gern sein Freund geworden, aber Harka war so fremdartig, und zudem besaß er eine Geheimniswaffe. Alles an ihm war anders als bei anderen Knaben. Es blieb wohl nichts übrig, als ihm zu zeigen, daß man es gar nicht nötig hatte, sich mit ihm abzugeben, und daß ein Schwarzfuß auch nicht ungewandt war.
Harka rührte sich. Er nahm seine Büchse aus der Hülle, lud sie, sicherte sie und legte sie neben sich. Er war tief befriedigt, als er bemerkte, daß der Gefangene heimlich einen Blick auf diese kostbare Waffe warf. Er ließ sich aber keineswegs anmerken, daß er den Blick wahrgenommen hatte.
Draußen war es still geworden. Es ertönten keine Kriegsrufe mehr. Vielleicht waren die Kämpfenden auseinandergekommen, und die Krieger der Siksikau blieben nur noch draußen, um einem weiteren Angriffsversuch sofort entgegentreten zu können. Der Gefangene bewegte auf einmal den Kopf das war die einzige Bewegung, die er noch machen konnte , er sah Harka an und begann zu sprechen.
»Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter Büffelpfeilversender Bärenjäger!« sagte er in seiner Sprache, die nur Harka verstand. Daß er alle Namen Harkas kannte, zeigte, wie gut er von Tatanka- yotanka unterrichtet worden war. »Du bist tapfer. Schämst du dich nicht, als Verräter mit den schwarzfüßigen Kojoten zusammen gegen die Krieger deines Stammes zu kämpfen?«
Harka erschrak und konnte nicht verhindern, daß er blaß wurde. Die anwesenden Siksikau verstanden nicht, was der Gefesselte sagte, aber gerade, daß er in einer ihnen unbekannten Sprache zu Harka sprach, mußte sie mißtrauisch machen, ganz besonders, nachdem das Dakotamädchen Verrat geübt hatte. Harka konnte nicht übersetzen, was Tashunka-witko gesagt hatte, hätte es auch nicht übersetzen mögen. Er wollte dem Gefangenen auch
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