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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hätte, ehe er in seiner Arbeit und seinem Charakter reif werden konnte.
    Bill und Charles oben auf dem Hügel beschäftigten sich mit der Frage, wann sie zum Schlafen kommen würden. Die Schüsse wiederholten sich nicht mehr, auch Hufschläge waren selbst für das feinste Ohr nicht mehr zu vernehmen. Alles, was von Vermessungsarbeiten etwas verstand, war im Tal des Baches beschäftigt, um die Arbeit so rasch wie möglich voranzutreiben. Auch alle Hilfskräfte wurden in Anspruch genommen. Für die Bewachung blieben nur die vier Scouts und Prärieläufer, die je zwei und zwei auf den Anhöhen südlich und nördlich Ausschau hielten.
    »Halt jetzt ein Schläfchen, wenigstens ’ne Stunde«, sagte Bill zu Charles, »dann weck’ ich dich, und du wachst dann, während ich ’ne Stunde schlafe. Auf ’n Abend lassen wir uns ablösen. Da sind die Herren Ingenieure mit der Arbeit fertig und können auch mal von hier oben durchs Gelände schielen. Ab Mitternacht halten wir uns dann wieder bereit.«
    »Wenn’s so geht …« Charlemagne hatte den Kopf schon auf den Arm sinken lassen und schloß die Augen. Er wollte beginnen zu schnarchen, aber da stieß Bill ihn unsanft an, denn unten im Tale sollte keiner etwas von dem Schläfchen wissen. Charlemagne rührte sich, schloß den Mund und verstummte.
    Die Stunden liefen ohne weitere Ereignisse dahin. Den Arbeitenden vergingen sie im Fluge, den müden Wachen schienen sie zu schleichen.
    Als die Sonne sich gegen Westen gedreht hatte und zu den Gipfeln des Felsengebirges sank, pfiff Joe, und die Männer beendeten die Arbeit. Das Essen wurde ausgegeben. Die Männer mochten das Salzfleisch nicht mehr riechen, aber es war keine Zeit und auch sehr gefährlich, auf Jagd zu gehen, und so verspeisten sie wohl oder übel, was sie bei sich hatten. Das Bachwasser war lau und schmeckte sehr schlecht, und es wurde wieder einmal darüber diskutiert, ob man nicht einen Brunnen graben sollte. Das Rinnsal des Baches wurde von Tag zu Tag dünner und seichter, und es bestand die Gefahr, daß man eines Tages für Menschen und Pferde kein Wasser mehr haben würde.
    »Was tun denn die Bewohner dieses Landes, die Indianer, wenn ihnen das Wasser ausgeht?« fragte der junge Mensch.
    »Die Zelte abschlagen und dahin reiten, wo es Wasser gibt«, antwortete Joe.
    »Sehr unzivilisiert.«
    »Allerdings. Wie die Tiere.«
    Die Männer fingen an, ihre Pfeifen zu rauchen, und streckten die Füße zum Feuer. Wenn die Tage auch heiß waren, so wurde es doch am Abend empfindlich kühl.
    Bill und Charlemagne ließen sich ablösen. Der junge Mensch, der Henry genannt wurde, bat darum, an der beginnenden Wache teilnehmen zu dürfen. Da sich sonst niemand freiwillig bereit fand, erklärte Joe, daß er selbst mit Henry zusammen für die erste Hälfte der Nacht auf den Höhenrücken gehen wolle.
    »Seid vorsichtig, Sir!« warnte Charlemagne.
    »Vielleicht habe ich mich schon mehr mit den Roten herumgeschlagen als ihr!« Joe war in grimmiger Stimmung. Er ließ sich nicht davon abhalten, mit Henry zusammen selbst auf Wache zu gehen. Als er sich mit dem jungen Ingenieur auf dem Höhenrücken einrichtete, erklärte er ihm geduldig, wie er am besten Deckung nehmen und worauf er achten müsse: auf Schallwellen, die durch die Luft, und solche, die durch den Boden noch zum Ohr drangen; auf Bewegungen im Grase, die nicht vom Wind hervorgerufen wurden; auf Schatten in der Ferne, die nicht von Tieren stammten. Der Sternenhimmel war klar, aber der Mond würde erst um Mitternacht aufgehen.
    Als Henry alles begriffen zu haben glaubte, spähte und horchte er eifrig. Aber nach einer Stunde begannen auch wieder andere Gedanken in ihm zu arbeiten. Er räusperte sich.
    »Was?« fragte Joe.
    »Ich denke an Tom. Sein Verschwinden wirkt rätselhaft. Wie ein Kriminalstück.«
    »Das man lieber daheim am Kamin liest als in der Wildnis miterlebt!«
    »Versteht mich nicht falsch, Sir.«
    »Einfach Joe ­ bitte.«
    »Versteht mich nicht falsch.«
    »Verstehe dich ganz richtig, Henry. Du hast nicht zuwenig Mut, sondern noch zuviel.«
    »Kann man zuviel …?«
    »Ja.«
    »Sollten wir nicht doch nach Tom suchen? Er war ein guter Kerl. Einer der besten von den merkwürdigen Scouts hier.«
    »Einer der besten, aber zu sentimental. So was geht immer unter.«
    »Wenn ich nun morgen noch einmal nach ihm suchen würde?«
    »Ach du … Unschuld, bleib bei Sinnen! Hier streifen ganz andere Leute umher. Wenn ich nur wüßte, welche!«
    »Deren Schüsse wir

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