Die hölzerne Hedwig
Zeit dicke. Du bist ja jung.«
Bevor er zehn Minuten später losfuhr, bat Marvin darum, den Hund nicht zu vergessen. Küchenmeister rief »alles im grünen Bereich«
und winkte aufmunternd. Graf fuhr vom Hof, die Kommissare winkten ihm nach.
Karolina sagte: »Wie lange wird es dauern, bis er merkt, dass der Hund hinten liegt und schläft?«
»Wenn wir Glück haben, dauert es lange.«
»Und er beißt wirklich nicht?«
»Kassian sagt Nein. Das Tier mag einfach keine Uniformen. Ich mag auch keine Uniformen, aber im Gegensatz zu dem Köter darf
ich das nicht laut sagen.«
Sie kehrten in die Küche zurück, wo die Bewohner warteten. Kassian bat darum, sich zu beeilen, er müsse zum Dachstuhl zurück.
»Ich will nicht als unzuverlässig gelten. Zweimal zu spät kommen, und du hast alles umgeschmissen, was du dir in zehn Jahren
aufgebaut hast.«
Sie präsentierten den Mini Cooper und das Kennzeichen aus Hamburg, das sich die Hebamme auch gemerkt hatte.
|76| Gleichzeitig sagten Kassian »War hier nicht« und Dora »aber klar«.
Mechthild Grühn, Fernsehjournalistin aus Hamburg. Drittes Programm, wo Kassian bisweilen einen Beitrag ablieferte. Kultur,
Kommunales, Natur, Landwirtschaft.
»Keine Verbrechen?«, fragte Küchenmeister freundlich.
Die Grühn, so nannte Kassian sie, nutzte jede Gelegenheit, aus ihrem Bürocontainer ins Freie zu fliehen. Sie ritt auch gern,
hatte früher zwei Dörfer weiter ein Pferd stehen gehabt, das sie sich seit der Scheidung nicht mehr leisten konnte, weil sie
zähneknirschend ihren Mann, einen erfolglosen Drehbuchautor, alimentieren musste. Vor Kurzem hatte sie herausbekommen, dass
der Ex ein Pferd besaß – zwei Dörfer weiter.
»Ein heißer Kandidat für das nächste Verbrechen«, juxte Küchenmeister.
»Damit scherzt man nicht«, wies ihn Dora zurecht.
»Kann ich Ihnen was abkaufen?«, fragte der Kommissar.
Hätte sie statt »abkaufen« nicht »abkauen« verstanden, wären die nächsten Minuten konfliktfreier verlaufen.
»Mit Ihnen kann man sich nirgends sehen lassen«, rief Karolina auf der Rückfahrt.
»Es war doch nur ein Missverständnis.«
»Selbst ich habe mich verhört. Und ich hielt es leider Gottes für möglich, dass ich mich nicht verhört habe.«
Darüber musste Küchenmeister nachdenken.
|77| 14
Küchenmeister wurde zum Telefondienst verdonnert, ohne Murren schluckte er die Strafe. Die Suche nach Spuren der Bordons lief
intensiv und bundesweit. Vorbestraft waren sie nicht, aber es gab auch keine weiteren Hinweise. Anrufe beim rumänischen Konsulat
hatten zudem den Verdacht geweckt, dass man von der falschen Nationalität ausgegangen sei. Bordon sei angeblich kein Name,
der in Rumänien gebräuchlich ist. So war plötzlich das komplette östliche und südosteuropäische Ausland mit ins Spiel gekommen
– ein Spiel, das schwerlich zu gewinnen war.
Das Krankenhaus freute sich, mitteilen zu können, dass es Baby Bordon gut gehe.
Mechthild Grühn erreichte der Kommissar im Holsteinischen, wo sie für eine geplante Dokusoap einen Bauernhof in Augenschein
nahm. Sie bestätigte, Irena zu kennen. Angeblich habe sich die Frau nach einer Möglichkeit erkundigt, in Hamburg beim Fernsehen
unterkommen zu können – in der Kantine, als Botin, als Praktikantin. Irena wollte in die Stadt, das war nun wohl klar. Schwanger?
Die Grühn musste passen.
»Ich habe nicht viel Erfahrung damit«, sagte sie. Küchenmeister nahm die Steilvorlage auf und fragte nach eigenen Kindern.
»Null, ich meine keins. Noch keins.«
Irenas Mann hatte die Grühn nie getroffen, wusste auch durch Irena nichts von ihm. Kassian? Ein toller Mann, Profi durch und
durch. Würde er nicht so nach Land stinken, könnte man schwach werden.
|78| »Gibt es eigentlich außer der Tagesschau noch irgendwas, worin ihr euch von den Privaten unterscheidet?«, fragte Küchenmeister
und handelte sich eine gereizte Antwort ein, die ohne das plötzliche Funkloch umfangreicher ausgefallen wäre. In der letzten
Zeit hatte er sich angewöhnt, unangenehme Telefongespräche nicht mehr auf die altmodische Art zu beenden, sondern mit Hilfe
herbeigelogener Funklöcher.
Den jungen Kollegen Graf musste er streng genommen nicht anrufen, aber er gönnte sich den Spaß und freute sich auf Hilferufe
und Hecheln, die aus dem Telefon dringen würden. Statt dessen meldete sich eine flüsternde Stimme:
»Ich kann jetzt nicht reden.«
»Aber Ihre Zunge haben Sie noch?«
»Er frisst
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