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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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hatte.

13
    Plötzlich wurde ans Fenster geklopft. Küchenmeisters erster Gedanke war: der Hund. Aber es war seine Chefin. Der Kommissar
     wurde Zeuge, wie mit Kassian eine Verwandlung vor sich ging. Der Anblick einer attraktiven Frau in sexuell aktivem Alter reizte
     ihn. Er wieselte herum und benahm sich serviler als bei seinem ersten Besucher. Blitzartig unterhielten sich beide über einen
     gemeinsamen Bekannten: ein hohes Tier aus der Ministerialbürokratie in Hannover.
    Erneut wollte Kassian den Fremdenführer spielen, aber Karolina drückte aufs Tempo. Mehrmals blickte sie ihren |70| Kollegen an. Vielleicht rechnete sie damit, von ihm die ersten sachdienlichen Erkenntnisse des Tages zu hören.
    »Ich komme gleich zur Sache«, sagte sie. Kassian himmelte sie an. Er mochte solche Frauen, die die Richtung vorgaben, ohne
     dabei aufzuhören, eine Frau zu sein. Sie mochte den Mann auch. Er war alt genug, um ihr älterer Ehemann zu sein und jung genug,
     um eine knisternde Atmosphäre aufkommen zu lassen. Das konnte von Nutzen sein, wer einen guten Eindruck machen wollte, redete
     mehr, und manchmal, ohne vorher abzuwägen.
    »Was wollte Irena in Ihrem Haus?«
    Die Männer starrten sie an.
    »Wie kommen Sie denn darauf?« Hätte nicht Küchenmeister die Frage gestellt, wäre man weiter gewesen.
    »Man besucht sich«, antwortete Kassian ohne Glaubwürdigkeit. »Kurze Wege, wenige Namen. Hier kommt keine Anonymität auf.«
    »Ja, ja, lassen wir mal diese Pflichtübungen beiseite. Wen genau hat Irena besucht? Denn sie war mehr als einmal hier. Und
     länger als eine Viertelstunde. Wenn Sie mir dazu nichts sagen können, möchte ich mit jemandem sprechen, der etwas weiß.«
    »Sie war bei uns«, bestätigte Kassian, nachdem er Karolinas Gesicht studiert hatte. »Sie hatte Fragen.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    Nun begann er zu mauern. Recht auf Privatsphäre, rein persönliche Probleme, Irena stehe nicht unter Verdacht.
    Die Kommissarin hatte die Faxen dicke.
    »Irena befindet sich mit hundertprozentiger Sicherheit in einer lebensgefährlichen Lage, das haben wir uns von Fachleuten |71| bestätigen lassen. Ihr ist kein Zahn gezogen worden, sie hat ein Kind bekommen und befindet sich nun in der Gewalt eines Mörders.
     Was Sie hier tun, ist zumindest unterlassene Hilfeleistung. Man kann daraus ohne Schwierigkeiten den Vorwurf der fahrlässigen
     Körperverletzung und im schlimmsten Fall der fahrlässigen Tötung herleiten. Momentan sieht es so aus, als sei Irena entführt
     worden. Also bitte.«
    Kassian war hingerissen.
    Die Tür öffnete sich, Dora stand im Raum. Wie an Fäden gezogen schoss Küchenmeister in die Höhe. Alles war noch vorhanden,
     wenig war hinzugekommen, in der Hauptsache einige Falten, über die man hinwegsehen und einige Pfunde, über die man nicht ganz
     so leicht hinwegsehen konnte. Sie war immer noch Miss Germany 1983 und Vierte bei der Wahl zur Miss World. Aber das war ja
     nur der halbseidene Startschuss zur eigentlichen Entpuppung gewesen. Danach war sie zum Objekt für Hunderte von Kameras geworden,
     danach hatte sie zu leben begonnen. Sie war schön, frech, laut, meinungsfreudig. Sie wusste nicht immer, was sie redete, aber
     das war nicht entscheidend. Schöne Frauen lebten nicht, um kluge Dinge zu sagen. Dafür waren hässliche Frauen und hässliche
     Männer da, die sich auf diese Weise nützlich machen konnten.
    Wie sie jetzt in der Küche stand, wurde ihm bewusst, wie schummrig es hier war. Am liebsten hätte Küchenmeister Licht angeschaltet.
     Nur die drohende Frage nach seiner geistigen Verfassung hielt ihn davon ab. Kassian übernahm die Vorstellung. Er hatte auf
     dem Land Neues gelernt, ohne das vorher Gelernte zu vergessen.
    Zu viert saß man am Tisch, an dem immer noch Platz war. |72| Die Frauen lagen im Alter keine zehn Jahre auseinander. Karolina war leichter, aber sie war zu dünn, schlank war sie eigentlich
     nicht. Dora sprach die Kommissare jedesmal mit ihren Namen an. Küchenmeister kannte den Trick: So impften sich Leute, die
     schwach mit Namen waren, neue Bekanntschaften ein.
    Dora berichtete von den Gesprächen in Lüneburg, die zu ihrer Zufriedenheit verlaufen waren. Küchenmeister vermochte sich keinen
     Geschäftsmann vorzustellen, der dieser Frau einen Wunsch abschlagen würde.
    Es war Kassian, der seine Mitbewohnerin auf den Stand brachte. Wie sie da nebeneinander saßen, wurde Küchenmeister plötzlich
     bewusst, dass sie womöglich eine

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