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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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etwas über Männer sagt. Danach sprechen wir uns wieder.«
    Der Kommissar legte eine Hand auf die Hand der alten Karolina und sagte mit verträumtem Gesichtsausdruck: »Nicht wahr, wir
     Männer sind hilfreich, edel und gut.«
    Die alte Karolina lächelte ihn an und lächelnd sagte sie: »Träum weiter.«
    »Ich mache alles anders«, behauptete Marvin tapfer.
    Drei erfahrene Menschen und ein erfahrener Hund blickten ihn an. Etwas lag in der Luft, aber niemand sprach es aus.
    Die Kommissarin ging hinaus und telefonierte mit der Zentrale. Polizisten sollten in die umliegenden Dörfer ausschwärmen,
     um die Bewohner zu befragen. Sie sollten Fotografien mitnehmen und nicht darauf bestehen, dass die Gesuchten den Namen Bordon
     benutzt hatten.
    |85| Danach planten sie den Rest des Tages. Betont beiläufig erwähnte die alte Karolina, dass sie sich umhören werde, wenn ihr
     danach sei. Man wisse ja nie. Den Kommissaren war klar, dass ihnen in diesem Moment eine mächtige Verbündete zugewachsen war.
    Marvin erklärte sich bereit, die Kommissare zum Schäfer zu begleiten. »Das finden Sie nie im Leben allein. Nachher muss ich
     noch zwei verirrte Kollegen suchen. Wie peinlich für Sie.«
    Küchenmeister versuchte es mit Telepathie. Er starrte auf den Hund und dachte: Fass, mach ihn fertig. Aber der Köter lachte
     ihn nur an und nieste.
    Marvin saß am Steuer. Er fuhr gerade das bisschen zu langsam, das Küchenmeister nervös werden ließ. Plötzlich sagte der Junge:
     »Bordon war bei Dora.«
    Das kam so unerwartet, dass anfangs niemand reagierte. Dann sagte Küchenmeister: »Nie im Leben. Die Frau hat Geschmack.«
    Der Baum mit dem verwitterten Plakat, den sie gerade passiert hatten, war der Grund für Marvins Erinnerung.
    Vor vier Monaten hatte Dora im Saal der »Hölzernen Hedwig« ihren Abend gegeben. »Miss-Achtung« hieß der Mix aus Liedern und
     Szenen, bei denen sie von einer Freundin aus der Stadt am Klavier unterstützt wurde. In den neunziger Jahren hatte Dora in
     einem verzweifelten Versuch, ihren verblassenden Ruhm zu versilbern, zwei CDs veröffentlicht. Über Platz 32 in der Single-Hitparade
     war es nie hinausgegangen. Sie hatte sogar in einer Fernsehserie mitgespielt, in den Anfangsjahren von RTL. Auch das war nicht
     vorangegangen. Vor vier Jahren hatte Dora dann den Schützensaal gemietet. |86| Marvin wusste Bescheid, als wäre er ihr Manager. Beim ersten Mal seien Plätze leer geblieben, im zweiten Jahr habe es keine
     Abendkasse mehr gegeben. Selbst die fleißigen Kroaten, die sonst nur arbeiteten und schliefen und ihr Geld zusammenhielten,
     hatten sich in Unkosten gestürzt.
    »Und du immer in der ersten Reihe«, behauptete der Kommissar.
    »Ich brauchte keinen Platz, ich war doch der Saalschutz.«
    »Du warst was?«
    »Der Chef des Ordnungsdienstes. Dass keiner Dora an die Wäsche geht. Sie ist nämlich ungeheuer sexy, wenn ihr wisst, was ich
     meine. Besonders wenn sie sich so anzieht … ihr wisst schon.«
    Dann wurde es interessant. Beim letzten Auftritt im Frühsommer war Bordon dabei gewesen. Einerseits war das nicht weiter überraschend,
     denn alle im Dorf pilgerten zu der Veranstaltung. Aber Irena war nicht gekommen, daran erinnerte sich Marvin genau. Und Bordon
     hatte mit Dora gesprochen, das war ihm sehr präsent. Denn er hatte in seinem Übereifer einen potenziellen Stalker gewittert
     und in der Nähe Posten bezogen. Praktisch hatte er neben den beiden gestanden. Es war nicht um ein Autogramm gegangen, es
     hatte auch nicht nach einem Streit ausgesehen. Aber dringend hatte es gewirkt. »Als wäre ihm etwas sehr wichtig. Sie hatte
     natürlich keine Zeit für ihn, sie musste ja wieder auf die Bühne und Autogramme geben. Aber sie haben miteinander geredet.«

|87| 16
    Eitel spreizte sich die Diva. Sie könne sich nicht jeden einzelnen Verehrer merken. Wenn Bordon mit ihr gesprochen hatte –
     möglich. Wenn er auf eines der Fotos geraten war, die an der Wand hingen – möglich. An solchen Abenden würden hundert Leute
     mit ihr reden, keineswegs nur Männer, wenn auch natürlich meistens Männer. Die Kommissarin stand währenddessen an der Wand
     und ging Hunderte von Fotos durch. Küchenmeister saß vor Dora und war verzaubert von dem Gesicht, das nach Ausflüchten suchte
     und fündig wurde. Was hatte er nur für einen Beruf, der ihn zwang, Kummer in solche Gesichter zu ritzen? Zum ersten Mal durfte
     er Doras Räume betreten, sie hatte gleich zwei davon, das Bett stand nebenan,

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