Die Homoeopathie-Luege
ebenfalls im Jahresprogramm 2012: »Therapiesicherheit für den einzelnen Patienten muss immer oberste Priorität haben!« Und weiter: »Stets muss es darum gehen, schnell, sanft und dauerhaft zu heilen und Komplikationen und Chronifizierungen vorzubeugen. In vielen Fällen ist dabei auch fachärztliches Wissen erforderlich.« Die Zweite Vorsitzende des DZVhÃ, Silvia Nuvoloni-Buhl, sieht im selben Interview, in dem auch Bajic zu Wort kam, die Homöopathie gar »als gleichberechtigte Therapiemethode neben anderen«, die »nach bestem ärztlichem Wissen eingesetzt wird, wo immer sie indiziert ist«. Dass sich Homöopathie und evidenzbasierte Medizin, wie wir noch zeigen werden, in beinahe allen Grundsätzen widersprechen und sich deshalb nach den Gesetzen der Logik ausschlieÃen, scheint dabei weder den DZVhà noch die praktizierenden Homöopathen zu stören.
Es gibt also, wenn man die heutigen Homöopathen grob einteilen möchte, drei groÃe Gruppen: die klassischen Homöopathen, die Hahnemanns reine Lehre hochhalten und sie bestenfalls in Nuancen weiterentwickeln, wie etwa Georgos Vithoulkas; die kreativen Homöopathen, die nur Grundzüge übernehmen und darauf eigene Gedankengebäude errichten, um etwa Pflanzen zu behandeln oder um bestimmte Zeichen auf kranke Körper zu malen; und schlieÃlich die pragmatischen Abweichler, die sich mit Elementen der wissenschaftsbasierten Medizin eine Art »Homöopathie light« oder »Homöopathie-to-go« zusammenbasteln und nur das verwenden, was ihnen plausibel oder zumindest vertretbar erscheint. Das Frappierende daran: Alle drei Gruppen, die mit ihren unterschiedlichen Produkten unter dem gemeinsamen Markennamen »Homöopathie« auf Patientenfang gehen, berufen sich auf einzigartige Heilerfolge. Es scheint also unerheblich zu sein, was im Paket drin ist, Hauptsache, es steht »Homöopathie« drauf.
Heroische Ãrzte
Als Hahnemann vor 200 Jahren den Grundstein für die Homöopathie legte, war sein rigoroses Ablehnen medizinischer MaÃnahmen nur zu verständlich. Es darf als sein gröÃtes Verdienst angesehen werden, denn es war damals sicher ein wahrer Segen für unzählige Menschen. Dieses scheinbare Paradoxon, dass heute falsch sein soll, was damals richtig war, löst sich auf, wenn man die Zeitumstände bedenkt, unter denen Hahnemann lebte. Als er in den Jahren nach 1790 die Homöopathie entwickelte, war die Medizin auf einem aus heutiger Sicht schauderlich primitiven Stand. Sie war mehr von Mythen als von Fakten und mehr von den Dogmen der antiken Ãrzte wie Galen als von nachprüfbaren Erkenntnissen geprägt.
Damals galt beispielsweise noch das Prinzip, dass organische Substanzen, die Bausteine des Lebens, grundsätzlich nicht künstlich hergestellt werden können, sondern dafür eine »Lebenskraft« nötig sei. Dieses Prinzip wurde jedoch bereits 1828, also noch zu Lebzeiten Hahnemanns, von Friedrich Wöhler mit der Synthese von Harnstoff widerlegt. Wenn schon die unbelebte organische Chemie damals noch in den Kinderschuhen steckte, wie wenig wussten Hahnemann und seine Zeitgenossen dann von den ungleich komplexeren Vorgängen im lebendigen Menschen. Man kannte zwar den »Makrokosmos Mensch« mit seinen Knochen, Muskeln, Sehnen und BlutgefäÃen aus Anatomiestudien bis in erstaunliche Details, aber warum das Herz schlägt, wozu man atmet, wie man sehen, tasten und fühlen kann, wie der Mensch also funktioniert, war ein groÃes Rätsel. So wusste Hahnemann, als er seine Homöopathie begründete, noch nicht, dass Lebewesen aus Zellen bestehen, dass es Bakterien und Viren gibt, dass körperliche Merkmale vererbt werden können, dass das Immunsystem uns vor Krankheitserregern schützt und dass wir verschiedene Blutgruppen haben. Auch waren heute selbstverständliche Errungenschaften wie Röntgenstrahlen, Insulin, Narkosemittel, Penicillin und viele andere noch in weiter Ferne.
Doch nicht die Unwissenheit der damaligen Mediziner war das Problem, sondern die fehlende Einsicht in ihre Unwissenheit. Die Ãrzte zeigten vielmehr ein von Medizinhistorikern »heroisch« genanntes Draufgängertum: Sie lieÃen die Patienten bei jeder Gelegenheit zur Ader, zwangen sie zu Durchfällen, SchweiÃausbrüchen und Erbrechen, flöÃten ihnen Quecksilber und andere Gifte ein und brannten ihre Wunden aus. Solche
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