Die Hongkong-Papiere
schnallte sich den Ballastgürtel um den Leib, zog die Handschuhe an und schlüpfte in seine Schwimmflossen. Die Prozedur war sehr mühsam, weil das Boot so klein war, aber daran ließ sich nun mal nichts ändern. Er nahm sich eine der Lampen und legte die Schlaufe um sein linkes Handgelenk. Er spuckte in die Tauch maske, beugte sich über den Bootsrand, spülte sie mit Wasser aus und setzte sie auf. Dann kauerte er sich auf den Rand, vergewisserte sich, daß die Luft ungehindert durch sein Mundstück strömte, winkte Ferguson zu und ließ sich rück wärts ins Wasser fallen.
Er schwamm unter dem Bootsrumpf hindurch, bis er das Ankerseil fand, an dem er, wie es allgemein üblich war, nach unten tauchte. Dabei hielt er zweimal an, um den Druck auf seinen Ohren durch kräftiges Schlucken auszugleichen. Zu seiner Überraschung war das Wasser völlig klar – dunkel, aber eher wie schwarzes Glas.
Während er mit den Füßen zuerst abtauchte, sah er, daß die beiden anderen Leinen, die Kim mit den Bleigürteln beschwert ins Wasser geworfen hatte, sich in Reichweite befanden. Er verfolgte seinen Abstieg auf dem Orca-Computer. 13 Meter, 18, 23, 24. Hier war es noch dunkel. Er knipste den Scheinwer fer an und erblickte den Grund des Sees.
Es sah ganz anders aus, als er erwartet hatte, keine Spur von Schlick. Statt dessen große Sandflächen zwischen einer Art Seegras, das aus mindestens zwei Meter langen Ranken bestand, die in der Strömung elegant hin und her schwangen.
Er hielt inne, ließ vom Computer berechnen, wieviel Tauch
zeit ihm zur Verfügung stand, dann entfernte er sich vom Ankerseil. Der Lichtstrahl der Halogenlampe fächerte sich vor ihm auf. Da war sie, die Maschine: zuerst nur ein dunkler Schatten. Sie stand auf der Nase, und der Schwanz ragte hoch.
Da der Rumpf weitgehend weggerostet war, konnte man in den Bristol-Perseus-Motor hineinschauen. Der dreiflügelige Propeller war noch vorhanden. Das Kabinendach war zurück geschoben. Offensichtlich hatte Smith es geöffnet, um schnell stens auszusteigen, nachdem das Flugzeug in den See gestürzt war. Eine verrostete Leiter führte ins Passagierabteil, und daneben waren die Umrisse der RAF-Symbole zu erkennen.
Dillon drang zuerst in die Pilotenkabine ein. Es war noch alles da, wenn auch in einem eher skeletthaften Zustand: die Instrumententafel, der Steuerknüppel. Er drehte sich um und tastete sich weiter ins Passagierabteil. Zwei Sitze befanden sich dort, von denen nur noch die Metallrahmen vorhanden waren. Leder- und Stoffbezüge waren längst verfault.
Auch die Koffer waren noch da. Aus irgendeinem Grund hatte Dillon keine Sekunde daran gezweifelt, daß er sie vorfinden würde. Einer war aus Metall, die beiden anderen aus Leder, und als er einen von ihnen berührte, begann er zu zerfallen. Dillon wischte mit der Hand über den Metallkoffer, und ein nur schwach erkennbarer Namenszug erschien. Er bestand aus drei Wörtern. Die beiden ersten waren nicht mehr zu erkennen, aber als er etwas fester über die Kofferhülle rieb und den Lampenstrahl auf die Stelle richtete, war der Name »Campbell« deutlich zu lesen.
Er trat den Rückzug an, holte zuerst den Metallkoffer aus der Kabine und legte ihn neben die Lysander in den Sand, dann kehrte er zurück, um die beiden anderen Koffer zu bergen. Der erste blieb einigermaßen intakt, doch der zweite schien sich in seinen Händen aufzulösen. Er sah ein paar verrostete Toiletten artikel, die Reste einer RAF-Mütze und einer Uniformjacke mit den RAF-Schwingen über einer Ordensleiste. Offensichtlich war das der Koffer von Sir Keith Smith. Dillon stöberte in den Überresten herum und fand ein geschwärztes silbernes Zigaret tenetui. Wenigstens etwas, womit er dem alten Knaben eine Freude machen konnte. Er verstaute das Etui in seiner Ret tungsweste und schwamm dorthin zurück, wo die beiden Nylonschnüre mit den Bleigürteln auf dem Seegrund verankert waren. Er befestigte den Koffer an einem der Karabinerhaken, holte dann den Metallkoffer und hängte ihn an die andere Schnur.
Er hielt inne, überzeugte sich, daß er nichts vergessen hatte, und begann den Aufstieg mit dreißig Zentimetern pro Sekunde.
Ferguson und Kim, die im strömenden Regen warteten, vernahmen plötzlich das Brummen eines Motors. Schnell reichte Ferguson Kim eine Maschinenpistole und brachte die andere in Anschlag. Er spannte sie.
»Zögere keine Sekunde«, sagte er zu Kim. »Wenn es Morgan ist und
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