Die Hornisse
Mistkerl!«
Während sie weiter ziellos in der Gegend herumfuhr, schreckte sie plötzlich das Klingeln des Telefons auf. Das mußte Brazil sein. Sie war ganz sicher, als sie den Hörer abnahm. Aber sie hatte sich geirrt. »Hammer«, meldete sich ihre Vorgesetzte. »Was zum Teufel, tun Sie noch da draußen?«
»Ich kann ihn nirgends finden.«
»Sind Sie sicher, daß er nicht zu Hause ist oder im Verlag?«
»Absolut. Er ist irgendwo hier draußen und handelt sich irgendwelche Schwierigkeiten ein«, sagte West mit Verzweiflung in der Stimme.
»Du liebe Güte«, meinte Hammer. »Cahoon und ich sind unterwegs zum Frühstücken, Virginia. Was ich Sie bitten möchte: Keinerlei Informationen zu diesem Fall und keine Angaben zur Person des Opfers, bis Sie etwas anderes von mir hören. Im Moment ist der Fall in der Schwebe. Wir müssen etwas Zeit wegen dieser anderen Sache gewinnen.« »Das halte ich für klug«, sagte West und warf dabei einen Blick in Rück- und Seitenspiegel und in alle Richtungen.
Sie hatte Brazil gerade um zwei Minuten verpaßt, und das war ihr, ohne daß sie es wußte, in den letzten Stunden schon mehr als einmal passiert. Sie bog in Straßen ein, kurz bevor er entlangfuhr, wo sie gerade noch gewesen war. Im Augenblick fuhr er am Cadillac Grill an der West Trade Street vorüber und steuerte auf eine heruntergekommene Gegend mit brettervernagelten Häusern zu, wo die Herrscher der Nacht ihr Unwesen trieben. Vor sich sah er die junge Nutte. Sie beugte sich zum Fenster eines Thunderbird hinunter und verhandelte. Brazil wollte es heute wissen und fuhr näher heran und beobachtete die Szene. Der Wagen raste davon, und die Nutte sah ihn feindselig an. Er störte ihre Geschäfte. Brazil kurbelte das Fenster herunter. »Hallo!« rief er hinaus.
Mit spöttischem Blick musterte Poison, die Prostituierte, den Kerl, der hier auf der Straße Blondie genannt wurde. Sie schlenderte weiter. Dieser Lackaffe von Spitzel verfolgte sie überallhin, irgend etwas wollte er von ihr, traute sich nur noch nicht so recht, hoffte vielleicht noch mehr zu erfahren, das er an die Polizei und die Zeitung weitergeben könnte. Sie fand das lustig. Brazil öffnete den Sicherheitsgurt. Er lehnte sich hinüber, um das Fenster auf der Beifahrerseite herunterzukurbeln.
Diesmal würde sie ihm nicht entkommen. Ganz bestimmt nicht. Er versteckte die 380er unter seinem Sitz, damit man sie nicht sah. Im Schrittempo fuhr er neben ihr her.
»Entschuldigung! Entschuldigung, Ma'am!« rief er mehrere Male. »Ich muß mit Ihnen sprechen.«
Genau in dem Augenblick fuhr Hammer an ihm vorbei, gefolgt von Cahoon in seinem nappagepolsterten Zwölfzylinder-Mercedes 600 S. Cahoon fühlte sich nicht besonders wohl in diesem Teil der Stadt und prüfte wiederholt die Türverriegelung, während Hammer über Polizeifunk den Einsatzleiter bat, sie mit Einheit 700 zu verbinden. Im nächsten Moment stand die Verbindung mit West. »Die von Ihnen gesuchte Person befindet sich im Bereich West Trade und Cedar«, gab Hammer über Funk an West durch. »Es wäre kein Fehler, wenn Sie sich beeilten.«
»Zehnvier!«
Die Officer in der Gegend waren verblüfft, sogar ein wenig ratlos, was sie tun sollten, als sie das Gespräch zwischen ihren höchsten Vorgesetzten mithörten. Sie hatten nicht vergessen, was die beiden davon hielten, von ihnen verfolgt zu werden. Vielleicht war es klüger, noch eine oder zwei Minuten abzuwarten, um möglicherweise eine genauere Vorstellung davon zu bekommen, was vorging. West gab unterdessen Gas und raste zurück zur West Trade.
Poison blieb stehen und wandte sich langsam um, ihre Augen glommen verführerisch, während sie Pläne schmiedete, von denen dieser Spitzel in seinem BMW nicht die leiseste Ahnung haben konnte.
Hammer war nicht mehr so sicher, ob dies der geeignete Zeitpunkt war, um Cahoon im Presto Grill einzuführen. Dafür roch es hier im Moment zu sehr nach Ärger, und sie hätte es schließlich in ihrem Leben nicht so weit gebracht, wenn sie nicht auf ihre Instinkte gehört hätte. Nur in ihrem Privatleben hatte sie sie ignoriert, heruntergespielt und geleugnet. Sie bog in den All-Right-Parkplatz gegenüber dem Grill-Imbiß ein und gab Cahoon ein Zeichen, ihr zu folgen. Er hielt neben ihr und ließ die Scheibe runter. »Was ist los?« fragte er.
»Stellen Sie Ihren Wagen ab, und steigen Sie zu mir ein«, sagte sie.
»Wie bitte?« Unauffällig sah sie sich um. Irgend etwas lauerte da draußen. Es roch faulig. Die
Weitere Kostenlose Bücher