Die Hornisse
Bestie markierte ihr Terrain. Es gab keine Zeit zu verlieren.
»Hier kann ich meinen Wagen unmöglich stehen lassen«, stellte Cahoon fest, und damit hatte er recht. Schließlich war sein Mercedes das einzige Fahrzeug auf diesem Parkplatz und wahrscheinlich sogar in einem Umkreis von achtzig Kilometern, das seine runden einhundertzwanzigtausend Dollar gekostet hatte. Hammer meldete sich über Funk bei der Einsatzleitung. »Schicken Sie eine Einheit zum All-Right-Parkplatz, Block fünfhundert, West Trade. Sie soll den schwarzen Mercedes dort im Auge behalten, bis ich neue Anweisungen gebe.«
Radar, der Einsatzleiter, konnte Hammer nicht besonders gut leiden, schließlich war sie eine Frau. Aber sie war der Boß, und er war schlau genug, die Schlampe zu fürchten. Radar hatte keine Idee, was sie da draußen vorhatte, vor allem zu dieser Stunde. Er schickte zwei Einheiten los.
Poison lächelte wissend und drehte sich betont langsam zu Brazils Beifahrerfenster. Sie beugte sich vor, steckte den Kopf hinein, wie es ihre Gewohnheit war, und warf einen Blick auf die gepflegten Ledersitze. Darauf lagen Aktentasche und Stifte, einige Notizblöcke vom Charlotte Observer und eine alte Bomberjacke aus schwarzem Leder. Und was ihr besonders auffiel, waren der Polizeiscanner und das Funkgerät.
»Bist du von der Polizei?« fragte sie gedehnt und grübelte, wer, zum Teufel, dieser Blondie sein könnte.
»Reporter. Beim Observer«, sagte Brazil, denn bei der Polizei war er ja nicht mehr. Das hatte West unmißverständlich klargemacht. Poison taxierte ihn mit anzüglichen Blicken. Das Geld von einem Reporter war so gut wie jedes andere. Und die Wahrheit kannte sie ja jetzt. Blondie war kein Spitzel. Er hatte nur die Geschichten geschrieben, die Punkin Head so launisch und aggressiv gemacht hatten.
»Was darfs denn sein, Kleiner?« fragte sie.
»Informationen.« Brazils Herz raste. »Ich zahle dafür.«
Poisons Augen leuchteten auf, ihre Lippen öffneten sich zu einem amüsierten Lächeln mit Zahnlücken. Sie schlenderte zur Fahrerseite herum und beugte sich zu ihm hinunter. Ihr Parfüm war ekelerregend süß und schwer wie Weihrauch. »Welche Sorte denn, Kleiner?« fragte sie.
Brazil war auf der Hut, aber er war auch fasziniert. Noch nie war er in einer ähnlichen Situation gewesen, und er versuchte sich vorzustellen, wie erfahrene, weltgewandte Männer sich bei ihren geheimen Seitensprüngen verhielten. Er fragte sich, ob sie wohl Angst hatten, wenn sie so jemanden in ihren Wagen ließen? Fragten sie erst nach ihrem Namen, oder wollten sie sonst etwas von ihr wissen? »Was geht hier vor?« Er klang unsicher. »Ich meine die Morde. Ich habe Sie öfters hier in der Gegend gesehen. Seit einiger Zeit schon. Wissen Sie vielleicht etwas?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte sie und ließ einen Finger über seine Schulter hinuntergleiten.
West fuhr schnell, vorbei an denselben üblen Orten wie Brazil wenige Momente zuvor. Hammer war nicht allzuweit hinter ihr, neben ihr Cahoon in höchster Anspannung mit weitaufgerissenen Augen, da er plötzlich mit einer Realität konfrontiert war, die von seiner eigenen unendlich weit entfernt war.
»Kostet dich 'nen Fünfziger, Kleiner«, ließ Poison Brazil wissen.
So viel hatte er nicht bei sich, doch er hatte nicht die Absicht, ihr das zu sagen. »Fünfundzwanzig«, handelte er wie ein Profi.
Poison trat einen Schritt zurück, sah ihn noch einmal prüfend an und dachte an Punkin Head, der sie aus seinem fensterlosen Transporter heraus beobachtete. Er hatte sie am Morgen angeschrien und immer wieder geschlagen. Er hatte ihr Schmerzen zugefügt, wo niemand es sehen konnte, wegen der Dinge, die Blondie in der Zeitung geschrieben hatte. Poison wurde plötzlich sauer und traf einen Entschluß, der vielleicht nicht sonderlich klug war, wenn man bedachte, daß sie und Punkin Head heute Nacht schon einen reichen Idioten fertiggemacht und ihre Quote von dieser Woche bereits erreicht hatten und es von Polizei nur so wimmelte. Eine Sache, die Brazil nicht erraten konnte, schien sie zu amüsieren, und sie zeigte ihm etwas. »Siehst du die Ecke da drüben, Kleiner?« sagte sie. »Das alte Apartmenthaus? Niemand wohnt mehr drin. Ich treff dich da. Hier können wir nicht reden.« Poison starrte in die dunkle Gasse, von wo Punkin Head sie aus seinem Wagen beobachtete. Er wußte, was sie gleich tun würde, es erregte ihn und machte ihm Lust zu töten, denn die Spanne, bis die Wirkung nachließ,
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