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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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Treppe verschwundenwaren, dann verließ er die Halle und floh in seine Kammer, wo er sich bis zum nächsten Morgen einschloss.
     
    Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr Juliana, wie schmerzhaft es sein konnte, einen Menschen zu lieben. Welche Mühsal. Es war nicht einmal so sehr die Tatsache, dass John sich von ihr zurückzog, die sie so quälte. Sie war Zurückweisung gewöhnt. Aber eine so dunkle Seite an ihrem Mann zu entdecken, von deren Existenz sie auch nach zwei Jahren Ehe nichts geahnt hatte, machte ihr zu schaffen. Mit einem Mal fürchtete sie sich vor ihm, und am meisten fürchtete sie sich davor, dass sie eines Morgens aufwachen und feststellen könnte, dass sie einfach aufgehört hatte, ihn zu lieben.
    Ihr Schwager, der Earl of Waringham, war am Abend seiner Ankunft eine Stunde länger als beabsichtigt geblieben, obwohl doch in Leeds sein kleiner Sohn wartete, den er noch nicht kannte. Er hatte sich diese Zeit genommen, um nach Liz zu schicken und sie zu bitten, nach dem Gefangenen, insbesondere nach dessen Nase zu schauen. Dann hatte er Juliana in sein Privatgemach geführt. Zuerst hatte sie Angst vor ihm gehabt, doch sie merkte bald, dass dieser Mann ganz anders war, als sie bislang angenommen hatte. Er hatte ihr erklärt, wer dieser Gefangene war und warum sie in nächster Zeit Nachsicht mit ihrem Gemahl üben müsse.
    »Es ist vielleicht eine Sache, die eine Frau niemals verstehen kann, Juliana. Ich glaube, eure Art, zu hassen und Rache zu nehmen, ist von unserer grundverschieden. Aber was immer John mit diesem Mann tun wird, ist sein Recht, glaub mir. Und es wird abscheulich für ihn sein, weil er eben ist, wie er ist. Wenn er es tun muss, um seinen Frieden wiederzufinden, steht dir und mir kein Urteil zu. Verstehst du?«
    »Ja, Mylord.«
    »Oh, sag nicht ›ja, Mylord‹ wie ein verängstigtes Kind!«
    »Warum nicht?«, brauste sie auf. »Ich bin verängstigt. Was wollt Ihr hören? Dass es mir nichts ausmacht, plötzlich festzustellen, dass ich mit einem Fremden verheiratet bin?«
    Er schüttelte den Kopf. »Er ist immer noch derselbe. Das ist vielleicht das Wichtigste, was du begreifen musst. Es wäre viel besser gewesen, John wäre nie in den Krieg gezogen. Nicht weil er kein guter Soldat wäre, im Gegenteil, das ist er. Aber er ist einer von denen, die den Krieg zu persönlich nehmen. Manche Männer sind so, und sie zerbrechen leichter als andere. Wenn dir an ihm liegt, dann lass ihn zufrieden und mach ihm keine Vorhaltungen, bis diese Geschichte ausgestanden ist. Du musst ja nicht zuschauen.«
    »Aber was ist mit Vergebung? Was ist mit ›Liebet eure Feinde‹?«
    »Du meinst, John solle die andere Wange hinhalten? Herrje, man merkt, dass du in einem bischöflichen Haushalt aufgewachsen bist«, spöttelte er, aber es war nicht gehässig. »Manchmal geht es nicht, Juliana. Wirklich, manchmal ist das einfach zu viel verlangt.«
     
    Sie nahm sich seine Worte zu Herzen. Kommentarlos sah sie mit an, wie John immer grimmiger und wortkarger wurde. Sie bedrängte ihn nicht, versuchte ihm ohne Worte zu vermitteln, dass sie hier war und auf seine Rückkehr wartete. Aber es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Er sah sie gar nicht. Er rührte sie auch nicht mehr an. Er mied ihre Kammer und schlief in Raymonds Bett. Er schlief, weil er sich jeden Abend betrank.
    Einige der älteren Ritter versuchten, ihn zur Vernunft zu bringen. Auch Vater Egmund, dem Juliana ihren Kummer anvertraut hatte, kam auf die Burg, um ihm ins Gewissen zu reden. John hörte sie alle schweigend und mit eisiger Höflichkeit an. Wenn sie zum Ende gekommen waren, ließ er sie stehen und ging an seine Arbeit. Und wenn er glaubte, dass niemand ihn beobachtete, schlich er in den Keller des Bergfrieds hinab zu dem Verlies, wo Victor de Chinon eingesperrt war.
    Natürlich gab es immer irgendwen, der ihn sah. Etwa fünf Dutzend Menschen lebten und arbeiteten auf der Burg – man musste sich schon in einen sehr stillen Winkel verkriechen, um irgendetwas ungesehen tun zu können. Manchmal blieb erstundenlang verschwunden. Juliana merkte immer an der drückenden Stille in der Halle und den beklommenen Blicken, die die Menschen tauschten, dass John sich wieder hinabgestohlen hatte, und diese Stimmung war ihr unerträglich. So verbrachte sie mehr und mehr Zeit in ihrer Kammer, oder sie streifte mutterseelenallein über die hügeligen Schafweiden oder ritt ohne Begleitung in den Wald. John schien davon nichts zu bemerken, aber Tristan Fitzalan nahm

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