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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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sie beiseite und hielt ihr vor, dass sie auf ihren Ruf achten müsse und dass der Wald nicht ungefährlich sei. Doch Juliana hörte nicht auf ihn.
    Und zwei Tage nach Fronleichnam verschwand John plötzlich aus Waringham, ohne irgendwem einen Ton zu sagen.
     
    »John!« Bischof Beaufort schenkte seinem unerwarteten Besucher ein strahlendes Lächeln, aber seine Augen hatten sich beinah unmerklich verengt und verrieten seine Besorgnis. Offenbar hatte er wieder einmal auf einen Blick erkannt, dass irgendetwas nicht stimmte.
    John ergriff die warme, trockene Hand, küsste den Ring und erhob sich.
    Der Bischof nickte seinen Generalvikaren, Weihbischöfen, Diakonen und Sekretären und den übrigen Priestern und Mönchen zu, die gemeinsam mit ihm an der hohen Tafel in Wolvesey gesessen hatten. »Ich glaube, für heute wäre so weit alles erledigt, Gentlemen. Dominus vobiscum .«
    Die Geistlichen erhoben sich, verneigten sich ehrerbietig vor dem Bischof und gingen tuschelnd in Gruppen und unter leisem Rascheln ihrer Kutten und Soutanen hinaus.
    Beaufort sah ihnen für einen Augenblick mit undurchschaubarer Miene nach, dann stand er ebenfalls auf. »Juliana?«, fragte er.
    »Sie ist wohlauf«, antwortete John. Es waren die ersten Worte, die er an diesem Tag sprach, und seine Stimme klang tief und heiser.
    »Kommt«, sagte der Bischof und führte ihn aus der nun menschenleeren, sonnendurchfluteten Halle, die Treppe hinabund in den Innenhof seines Palastes. Auf der Südwestseite des Hauptgebäudes lag ein stiller Garten mit einem Springbrunnen. Anders als in Waringham waren hier alle Rosen rot. Lancaster-Rosen.
    Beaufort setzte sich auf eine Steinbank nahe dem Brunnen, blinzelte einen Augenblick in die Nachmittagssonne und fragte dann: »Also?«
    »Ich …« John räusperte sich. »Ich brauche den Rat eines Freundes, Mylord.«
    »Nun, ich würde sagen, dann seid Ihr hier richtig.« Mit einer Geste lud er ihn ein, Platz zu nehmen.
    John setzte sich neben ihn, legte die Hände auf die Knie, starrte darauf hinab und sagte keinen Ton.
    Beaufort drängte ihn nicht. Er genoss die warme Frühsommersonne auf dem Gesicht und lauschte dem Gezwitscher eines Zaunkönigs in den Rosen. »Welch eine gewaltige Stimme für einen so winzigen Gesellen«, murmelte er nach einer Weile. Es klang beinah schläfrig.
    Doch es brachte John zurück in die Wirklichkeit. Ein wenig erschrocken schaute er auf und räusperte sich wieder. »Ihr … Ihr habt mir einmal vorgeworfen, dass ich alle Franzosen hasse, Mylord. Wisst Ihr noch? In Troyes, als Ihr mich überreden wolltet, Katherine für Harry und für England zu gewinnen.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Und Ihr sagtet in diesem Zusammenhang, Victor de Chinon sei ein Wurm, der keinen ritterlichen Anstand kennt.«
    »Hm.« Beaufort nickte mit geschlossenen Augen, das Gesicht immer noch der Sonne zugewandt.
    »Was wisst Ihr über ihn?«, fragte John.
    »Er muss ungefähr zehn Jahre älter sein als Ihr. Mein Bruder Exeter nahm ihn bei Agincourt gefangen, aber irgendein Wunder verhinderte, dass Harrys Schlächter ihn töteten. Einer seiner Brüder und zwei seiner Cousins hatten weniger Glück. Er hält ein bisschen Land unweit von Chinon und hat es verstanden, sich dem Dauphin unentbehrlich zu machen. Er hat Euch ohne Grund und wider jedes Recht gefoltert, als Ihr inGefangenschaft wart, was nicht einmal bei den Dauphinisten üblich ist, und das gibt mir Anlass, an seinem Verstand zu zweifeln. Ich halte ihn für gefährlich. Werdet Ihr mir verraten, worauf Ihr hinauswollt?«
    John lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Die steinerne Rückenlehne war hart, aber sonnenwarm. »Raymond hat ihn in Meaux gefangen genommen und mir mitgebracht. Als Geschenk, wie er sagte.«
    Der Bischof richtete sich auf und wandte sich ihm zu, seine Miene sehr ernst. »Verstehe.«
    John erwiderte seinen Blick und sagte nichts.
    »Und was habt Ihr getan?«
    »Ich habe ihm die Nase eingeschlagen und ihn einsperren lassen.«
    Beaufort ließ ein paar Atemzüge verstreichen, ehe er fragte: »Und weiter?«
    »Nichts weiter.« John fuhr sich nervös mit der Hand über die Stirn. »Ich … bin fast jeden Tag in den Keller hinuntergestiegen und hab die Wachen fortgeschickt. Und dann steh ich da vor der Tür zu seinem Verlies und geh nicht rein. Dabei will ich ihn sehen. Ich habe den Wachen befohlen, ihn in Ketten zu legen, und das will ich sehen. Und sein Gesicht, wenn ich reinkomme. Seine Angst. Aber meine eigene Furcht

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