Die Hueterin der Krone
Graf von Anjou wurde.«
»Für einen Herrscher ist das immer noch gefährlich jung«, gab Adeliza zu bedenken.
»Da gebe ich dir Recht, aber er verfügt über Fähigkeiten, die andere in seinem Alter nicht haben. Und wenn ich auch keine Armee anführen kann, so kann ich ihm doch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Viele unserer Männer müssen ihn auf dem Schlachtfeld unterstützen, aber er wird das Banner sein, das sie vereint.« Sie sah Adeliza an. »Ich habe genau wie du kaum eine Wahl. Henry muss ans Ruder kommen. Ich war wütend auf ihn, als er den Kanal überquert und Stephens Burgen angegriffen hat, aber auch stolz. Das liegt jetzt ein Jahr zurück, und in dieser Zeit ist er reifer und vernünftiger geworden. Er wird König, davon bin ich fest überzeugt. Männer wie dein Mann werden an seiner Seite kämpfen, was sie in meinem Fall nie tun würden. Es ist keine Niederlage«, fügte sie mit Nachdruck hinzu. Eine Niederlage einzugestehen würde diesen furchtbaren, blutigen Krieg wertlos machen, sodass an eine Wiedergutmachung nicht mehr zu denken war.
»Nein«, stimmte Adeliza zu. »Du kannst hier in Arundel mit mir an Bord gehen. Dein Gepäck ist in Wareham, ich weiß, aber du hast das Nötigste bei dir, und ich würde mich über deine Gesellschaft auf der Reise freuen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Dann müsste Will mich auch ziehen lassen und könnte meine Abreise nicht hinauszögern.«
Matilda wirkte zunächst betroffen und wurde dann nachdenklich. »Ich darf keine Zeit verlieren«, wandte sie ein. »Ich gehe aus England nicht weg, weil ich es Stephen überlasse, sondern weil ich mir in der Normandie Unterstützung sichern will, und damit muss ich schnellstmöglich beginnen.«
»Je eher, desto besser.« Adelizas Kinn zitterte, aber sie behielt die Fassung. »Im Moment steht der Wind für die Überfahrt günstig.«
Matilda nickte. »Dann werde ich einen Boten nach Wareham schicken und dir beim Packen helfen.«
Am Anlegesteg am Fluss Arun lag ein Schiff vor Anker. Der Wind war stürmisch und bitterkalt, das Wetter aber klar, und der Kapitän hatte seinen Passagieren versichert, dass sie das Ufer der Normandie noch vor Anbruch der Nacht sicher erreichen würden.
Will wartete zusammen mit Adeliza darauf, dass sich die Seeleute zum Ablegen fertig machten. Sie trug zum Schutz vor dem Wind und der Gischt einen dicken pelzgefütterten Umhang. Über der sich bauschenden blauen Wolle wirkte ihr Gesicht so blass wie eine Lilie und ihre Augen riesengroß. Er versuchte, einen Anschein von Normalität zu wahren, und redete sich ein, dass sie nur für kurze Zeit nach Afflighem ging, um sich zu erholen und zu beten, und dass sie bald zu ihm zurückkam. Aber diese Selbsttäuschung glich einem Verband auf einer Wunde, die nicht aufhörte zu bluten.
Er war froh, dass Matilda sie auf einem Teil der Reise begleitete. Zwar hegte er keinerlei Liebe für die Kaiserin, aber zwischen den beiden Frauen bestand ein ganz besonderes Band. Und dank Matildas strikten Regeln bezüglich Ordnung und Routine wurde gut für Adeliza gesorgt. Außerdem war er die Kaiserin los, sie würde ihm keine Steine mehr in den Weg legen. Selbst die dunkelste Wolke hatte einen silbernen Rand.
Er schloss Adeliza vorsichtig in die Arme. Sie war so zerbrechlich, dass er nicht wagte, sie zu fest an sich zu drücken. Tiefer Kummer überwältigte ihn, weil er wusste, dass er sie für immer verloren hatte. Ein letztes Mal nahm er ihr Gesicht zwischen die Hände und streichelte es. Trotz ihrer fünfundvierzig Jahre war ihre Haut noch immer glatt und zart. Der Schaden, den sie genommen hatte, war in ihrem Inneren angerichtet worden.
»Ich habe etwas für dich«, murmelte er. »Etwas, das dich an mich erinnern soll, wenn du betest, weil wir wenigstens in Gott vereint sind.« Er öffnete ihre rechte Hand und drückte einen Rosenkranz aus Bergkristallperlen hinein, an dem ein mit roten Edelsteinen besetztes Kreuz hing, und schloss ihre Finger darum. »In der Bibel steht, eine tugendhafte Frau sei kostbarer als Rubine«, sagte er heiser. »Ich werde dich jeden Tag meines Lebens lieben, egal wie viele mir noch bleiben.«
Sie blickte auf sein Geschenk, dann in seine Augen. »Du hast mir Reichtümer geschenkt, die weit über materiellen Wohl stand hinausgehen. Ich werde dich auch für den Rest meines Lebens lieben.«
Sie standen noch immer Hand in Hand nah beieinander, sodass sich ihre Körper leicht berührten. Will erinnerte sich, wie er zum ersten Mal vor
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