Die Hueterin der Krone
herausfinden, ob sie wirklich die zänkische Hexe war, als die manche Chronisten und Historiker sie beschrieben haben, oder ob mehr dahintersteckte.
Die Kaiserin – auf diesen Titel legte sie großen Wert – scheint manchmal selbst ihr größter Feind gewesen zu sein. Die Gesta Stephani berichtet, dass sie nach Stephens Gefangennahme »eigenwillig in allem war, was sie tat«, und dass sie die Männer, die kamen, um ihr zu huldigen, beleidigte oder gar bedrohte. Sie erkannte die Vasallen, die das Knie vor ihr beugten, nicht an, dachte nicht daran, ihre Ratschläge zu beherzigen, stieß sie durch »arrogantes Verhalten vor den Kopf und weigerte sich, sie überhaupt anzuhören … sie befolgte ihren Rat nicht, wie sie es ihnen versprochen hatte, sondern regelte alles nach ihrem eigenen Gutdünken und setzte despotisch ihren Willen durch«.
Daraus schließe ich, dass sie sehr willensstark und Dummheit ihr ein Gräuel war, aber ich glaube auch, dass sie sich gegen eine Gesellschaft zur Wehr setzte, die eine starre Vorstellung von der Rolle einer Frau und ihrer Machtbefugnis hatte. Ich habe auch den Verdacht (den ich allerdings nicht beweisen kann), dass Matilda unter akuten prämenstruellen Beschwerden gelitten hat, was ein Grund für ihr schroffes Benehmen gewesen sein könnte. So könnte es sich für sie zu einer Katastrophe ausgewachsen haben, wenn eine heikle politische Situation mit einer bestimmten Zeit des Monats zusammenfiel.
Obwohl ihr Verhältnis zu ihrem Cousin Henry of Winchester mehr als angespannt war, stand sie mit der Kirche auf gutem Fuß, und der Mönch Stephen of Rouen lobte sie in den höchsten Tönen und berichtete, dass sie sowohl bei den Armen als auch beim Adel sehr beliebt war. Ihm zufolge war sie »weise und fromm, gütig gegenüber den Armen, großzügig gegenüber den Mönchen, die Zuflucht der vom Leben Benachteiligten und eine Befürworterin des Friedens«. Dass sie hart zu kämpfen hatte und dadurch viel Not und Elend ausgelöst wurde, um zumindest eine Art von Frieden herbeizuführen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Marjorie Chibnall bemerkt in ihrer Biografie der Kaiserin, dass die Zisterziensermönche von La Valasse sie als »intelligente und vernünftige Frau« in Erinnerung hatten.
In der Moderne hat es Spekulationen über eine Liebesbeziehung zwischen Matilda und dem Baron Brian FitzCount gegeben, die jedoch von der falschen Auslegung einer Passage der Gesta Stephani über die Flucht aus Winchester herrühren. Der Text lautet in der Übersetzung: »Doch sie und Brian gelangten dadurch zu übermäßigem Ruhm, doch ihre Zuneigung füreinander war schon zuvor ungebrochen, sodass sie sich selbst in Zeiten des Unglücks stets einig waren, so groß die Hindernisse und Gefahren auch sein mochten.« Andere Verweise auf die Nähe zwischen den beiden gibt es nicht, und die oben zitierten Sätze sollten als Beweis eines freundschaftlichen Bandes und Vasallentreue auf Seiten Brians gewertet werden, nicht als Anspielung auf körperliche Intimität. Hätte es auch nur den geringsten Verdacht gegeben, hätten die Matilda feindlich gesinnten Chronisten, darunter auch die Gesta Stephani , diesen genüsslich ausgeschlachtet. Meine persönliche Meinung lautet, dass Brian und Matilda sich stark zueinander hingezogen gefühlt haben, dies jedoch unausgesprochen blieb und nie ausgelebt wurde.
Niemand weiß mit Sicherheit, was aus Brian geworden ist. Am wahrscheinlichsten ist, dass er nach Matildas Rückkehr in die Normandie Mönch in der Abtei Reading wurde. Auf jeden Fall verschwindet er um diese Zeit herum aus den historischen Aufzeichnungen. Dass er sich auf einen Kreuzzug begeben hat, ist wohl frei erfunden. Meiner Ansicht nach war Brian nicht zum Krieger geboren und hat nur gekämpft, weil er dazu gezwungen war. Wallingford gehörte zu den am besten gesicherten Festungen der Anhänger der Kaiserin, aber Brian war häufig mit Matildas Hof auf Reisen, weshalb die heldenhafte Verteidigung der Burg hauptsächlich ihrem Kastellan William Boterel zugeschrieben werden muss. Vermutlich war Matildas Rückkehr in die Normandie für Brian der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und daraufhin entschied er sich für das Klosterleben. Da der Abtei Reading im 12. Jahrhundert die Verantwortung für die Kapelle auf der Isle of May vor der Küste Schottlands oblag, beschloss ich, ihn dort den Rest seiner Tage in Frieden verleben zu lassen.
An Matildas problembehafteter Ehe mit Geoffrey of Anjou
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