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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ballen, um ein Zittern zu unterdrücken.
    »Was sonst?« Sein Lächeln bekam etwas Schiefes.
    »Ein gelehrter Herr Hexenkommissar, der über das Schicksal Unschuldiger befindet.«
    »Ich bin nur ein Beobachter, Marie, nichts weiter. Ich versuche mein Bestes. Aber ich weiß natürlich, dass es niemals genug sein kann.«
    »Immerhin bestellt vom Fürstbischof höchstpersönlich, wie man allerorten hört.«
    »Bestellt von Fuchs von Dornheim, der, wie man ebenfalls allerorts hört, bei deinem Mann eine stattliche Krippe in Auftrag gegeben hat.« Über die anderen, die ihn ebenfalls gerufen hatten, um das Schlimmste abzuwenden, durfte er nichts sagen, das hatten sie sich zur gegenseitigen Sicherheit feierlich gelobt.
    Er trat einen Schritt auf sie zu.
    »Bist du glücklich mit ihm, Marie?«
    Sie starrte auf seine Schultern, die Arme, die sie vor einer halben Ewigkeit zärtlich umfangen hatten. Es war beinahe, als ob Adam sie wieder berührt hätte, so, wie kein anderer es jemals vermocht hatte – nicht einmal Veit. Da waren plötzlich Tränen, tief in ihrem Hals. Und ein klebriger Kloß, der ihr das Atmen schwer machte.
    Sie hob ihr Kinn, wie sie es schon als Mädchen getan hatte. Löwen und Störche passten nicht zusammen. Es hatte keinen Sinn, sich Illusionen zu machen.
    »Veit ist mein Mann – und Selina seine Tochter. Du musst ihr helfen!«
    »Das versuche ich.« Adams Miene hatte sich verdüstert. »Mit allem, was in meinen Möglichkeiten steht. Aber die Zeit rennt uns davon, und das Mädchen macht es mir nicht gerade einfach. Selina sagt nur sehr wenig …«
    »Sie ist taub, das weißt du doch!«
    »Aber nicht stumm. Wenn sie will, kann sie ganz gut reden. Außerdem hab ich ihr gestattet, die Tafel zu benutzen. Wieso macht sie dann keinen Gebrauch davon? Was wir wissen, ist, dass sie die Kinder in den Felsenkeller deines Vaters geführt hat. Dort haben sie ein Fass angezapft und sich gemeinsam betrunken. Aber was ist danach geschehen? Selina bleibt dabei, Lenchen habe noch gelebt, als sie den Keller verlassen hat.«
    »Welchen Grund sollte sie haben zu lügen?«
    »Dazu fällt mir eine ganze Menge ein! Aber gesetzt den Fall, es stimmt, was sie behauptet, was hat sie dann am anderen Morgen wieder dorthin getrieben? Denn dass sie dort war, steht fest. Wir haben einen glaubwürdigen Zeugen. Und selbst wenn man das alles einmal außer Acht ließe: Selina lässt ein kleines Kind mutterseelenallein in einem finsteren, kalten Keller zurück? Weshalb, Marie? Was hat sie dazu veranlasst? Das ist kein unschuldiges Spiel!«
    »Aufbrausend kann sie sein, trotzig, eigensinnig. Aber gemein oder hinterhältig ist sie nicht. Ich kann es mir einfach nicht erklären!«
    »Wir sind noch lange nicht am richtigen Punkt, das ist mein Gefühl. Es steckt etwas in Selina, ein Geheimnis, etwas, das sie nicht verraten will. Ich bin überzeugt, sie weiß sehr viel mehr, als sie sagt. Das werden wir aus ihr herausbringen müssen – so oder so.«
    »Meinst du damit etwa Förner? Ich hab ihn einmal predigen hören, das hat mir bis heute gereicht!«
    »Über den Weihbischof kann und darf ich in diesem Zusammenhang nichts sagen, das musst du verstehen. Lass uns lieber bei Selina bleiben! Ich weiß nicht, ob sie wirklich begreift, was ihr droht. Wenn ich nicht weiterkomme, wird Vasoldt meine Arbeit fortsetzen – mit seinen Methoden.« Sein Ton wurde eindringlich. »Und wenn du es noch einmal versuchst, Marie? Sprich mit ihr. Sage ihr in aller Deutlichkeit, was ihr bevorsteht! Sie muss endlich begreifen.«
    »Ich? Daraus wird nichts!«
    »Ich fürchte, du hast keine andere Wahl. Wäre der Fürstbischof nicht erpicht auf das Bier deines Vaters und auf die Krippe deines Mannes, Selina säße längst im Loch. So stehen doch die Dinge.«
    »Das weiß ich auch. Ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Aber Selina wird sich mir trotzdem nicht öffnen. Niemals!«
    »Weshalb? Du bist doch ihre Mutter, hast sie aufgezogen wie ein eigenes Kind.«
    Ein eigenes Kind! Was wusste Adam schon von ihren Hoffnungen, ihren Schmerzen? Dass sie nach wie vor ihren Bauch beobachtete, morgens, abends, immerzu. Doch er blieb hart und flach, nichts Weiches machte ihn rund, kein Leben wuchs in ihm. Ihr Körper führte ein Eigenleben, nur darauf aus, sie Monat für Monat aufs Neue mit seinem Blut zu beschämen.
    »Sie hat mich niemals als Mutter akzeptiert.« Maries Stimme zitterte leicht. »Seit geraumer Zeit verschließt sie sich sogar vor Veit. Und selbst

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