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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dass er den Atem anhalten musste.
    »Aber wird sie das auch noch, wenn die Menschen erst einmal erfahren haben, von wem sie stammt? Vom Sohn eines Druten!«
    »Das Werk lebt durch den Geist. Und der Geist dieser Krippe ist rein.« Adam schob ihn ein Stück zur Seite. »Und jetzt entschuldigt mich. Ich hab es eilig.«
    »Simon Sternen. Ein Mann, der Euch nahe steht, habe ich Recht?«, sagte Förner in seinen Rücken hinein. »Sehr nahe sogar.«
    Etwas Kaltes breitete sich in Adam aus. Der Mensch hat zwei Wangen, dachte er. Der Mensch verdient auch zwei Ohrfeigen. Marie hatte richtig gelegen mit ihren Warnungen. Aber sie waren doch so vorsichtig gewesen, die ganze Zeit!
    »Jeder, der diesen Künstler kennt, darf sich glücklich schätzen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Sein Name wird noch genannt werden, wenn unser beider Namen längst vergessen sind.«
    »Es gibt Sünden, die jeden Namen beschmutzen«, sagte Förner. »Das weißt du, Thies, das muss ich dir nicht näher erklären.«
    »Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Adam drehte sich langsam um. »Wir sind Menschen. Wir sind fehlbar. Deshalb ist Jesus für uns am Kreuz gestorben.«
    Schweigend standen sich die beiden gegenüber.
    »Was wollt Ihr?«, sagte Adam nach einer Weile.
    »Den Rosenkranz«, sagte Förner.
    »Und dann?« Adam zögerte kurz, bevor er Förner direkt in die Augen schaute. »Ich habe ihn nicht hier, wie Ihr Euch denken könnt.«
    »Manus lavat manum .« Förners linkes Lid zuckte. »Ich kann dir entgegenkommen, aber nur, wenn du dich einsichtig zeigst.« Jetzt war es Förner, der einen Augenblick überlegte. »Wir treffen uns am Fluss. Am Mühlsteg. Da sind wir unbeobachtet. Das ist doch auch in deinem Sinn.«
    »Heute noch?«
    »Nein, morgen. Morgen früh. Zur Laudes . Falls du nicht schon alles vergessen hast, was einen Mönch ausmacht. Du wirst doch kommen, Pater Thies?«
    Adam machte eine unbestimmte Geste.
    »Ich rate es dir dringend«, sagte Förner mit einem hässlichen Lachen. »Wenn dir das Leben eines jungen Künstlers etwas bedeutet.«

    »Du?«, sagte Simon, als Adam plötzlich neben der Krippe auftauchte. »Wie schön, dich hier zu sehen, Adam!«
    »Ich kann nicht lange bleiben.« Adam sah sich gehetzt um. »Ich hätte nicht einmal kommen dürfen. Aber ich musste es.«
    »Du hast Nachrichten vom Fürstbischof?«, fragte Simon mit angespannter Miene.
    »Noch nicht«, sagte Adam. »Bislang hüllt er sich in Schweigen. Gib die Hoffnung nicht auf, Simon, aber rechne auch mit dem Schlimmsten. Fuchs von Dornheim ist bequem und feige. Er hasst es, seine Meinung ändern zu müssen. Dass er deine Krippe angenommen hat, ist für ihn schon ein enormer Schritt.«
    »Das Geld tut uns gut. Aber er muss Vater doch …«
    »Er muss gar nichts, Simon. Wenigstens gibt euch der Weihnachtsfrieden einen Aufschub. Das ist schon sehr viel.« Adam umrundete langsam den Krippenberg. »Ich hab wahrlich nicht zu viel versprochen. Sie sprühen vor Leben. Deine Figuren sind einzigartig. Du bist ein großer Künstler, Simon!«
    »Hast du auch den Engel gesehen?«
    Adams Augen wurden feucht. »Wir gehen einen Weg miteinander«, sagte er leise. »Das darfst du niemals vergessen. Und wenn es keinen Weg mehr gibt, dann werden wir ihn trotzdem weitergehen. Versprich mir das!«
    »Wieso sagst du das, Adam? Natürlich werden wir das. Denkst du, ich lass dich jemals allein?« Jetzt war es Simon, der sich nach allen Seiten umsah. »Ich komme heute Nacht zu dir«, flüsterte er. »Ich halte es kaum noch aus ohne dich.«
    »Das darfst du nicht. Es ist viel zu gefährlich!«
    »Was kümmert mich das? Wir können sterben. Jeden Tag. Schon in der nächsten Stunde, wenn es uns so bestimmt ist. Ich will wenigstens vorher gelebt haben.«
    »Du bist wahnsinnig, Simon!«
    »Vielleicht bin ich das. Aber ich will bei dir sein. Und wenn du nicht aufmachst, dann stelle ich mich unter dein Fenster und fange an zu singen. So lange, bis du …«
    »Ich will es doch auch, Simon. Du ahnst gar nicht, wie sehr.«
    Aus den Augenwinkeln sah er den Küster näher kommen.
    »Ja, ich denke, damit wird Seine Exzellenz zufrieden sein«, sagte er. »Ex cathedra ist die Sicht auf die Figuren besonders gut.«
    Ein letzter Blick zu Simon. Dann eilte Adam Thies aus dem Dom.

    »Zwei Frauen und ein Kind, Marie?«, sagte Adam, als sie ihm alles erzählt hatte, in hastigen, wirren Sätzen. »Gegen Förner? Ihr habt den Verstand verloren!«
    »Nein«, sagte sie und schob ihr Kinn

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