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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Röte. Offenbar hatte er sich seine Mission einfacher vorgestellt. »Lasst mich anders beginnen. Ihr erinnert Euch an Weihbischof Förner?«
    »Der bärtige Mann in der geflickten Soutane?«
    »Ganz genau. Natürlich ist auch sein Horoskop kein Geheimnis mehr für mich. Förners Sonne steht im Schützen, was zu seinem Amt passt, wenngleich es ihn wenig empfänglich für Kritik macht. Und Venus und Mond sind im Skorpion. Macht, versteht Ihr? Reine, pure Macht, die andere unterwerfen will – und genau diese Konstellation könnte Euer Problem werden!«
    »Und was hat das mit unserer Krippe zu tun?«, sagte Veit.
    »Habt Ihr schon von Förners Hexenpredigten gehört?«, sagte Keller. »Wart Ihr jemals sonntags in St. Martin und habt gesehen, was sich dort abspielt?«
    »Wir besuchen die Messe in St. Stephan. Und von Aberglauben und Zauberei wollen wir nichts wissen.«
    »Das solltet Ihr überdenken«, sagte Keller.
    »Dazu fehlt uns die Zeit.« Veit war entschlossen, sich nicht beunruhigen zu lassen. »Der Fürstbischof wartet auf unseren Entwurf. Wir wären ohnehin schon sehr viel weiter, hätte mich nicht eine Krankheit ans Bett gefesselt …«
    »So also soll die Krippe aussehen?« Keller ging zu der Hobelbank, wo inzwischen fast drei Dutzend Figuren standen. »Aber sie haben ja gar keine Gesichter!«
    »Natürlich nicht«, erklärte Simon geduldig. »Das sind bozzetti, wie man in Italien sagt , Entwürfe, die lediglich skizzieren, wie die Figur später einmal aussehen soll. Für die Gesichter gibt es Zeichnungen, die später im richtigen Maßstab auf das Holz übertragen werden. Ihr könnt sie sehen …«
    »Was wollt Ihr uns eigentlich sagen, mit Eurem ganzen Gerede von Mars und Schützen?«, unterbrach ihn Veit.
    Der Hofastrologe schien nach Worten zu ringen. Er nahm eine der Hirtenfiguren auf, einen Mann mit Stab und Hut.
    »Sonntag für Sonntag hetzt der Weihbischof gegen die Druten«, sagte er. »Und Sonntag für Sonntag werden es mehr, die zu seiner Predigt strömen. Die Menschen sind ratlos, durcheinander, aufgewiegelt. Sie suchen nach Schuldigen für Dinge, für die sie keine Erklärung haben – und sie werden sie bald gefunden haben, wenn es so weitergeht. Wenn die Hexenjagd beginnt, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.«
    »Unsere Krippe – kommt endlich zum Punkt!«, verlangte Veit.
    »Ich bin bereits dabei«, sagte Keller mit einem missglückten Lächeln. »Glaubt Ihr allen Ernstes, Sternen, der Fürstbischof wird sich dann noch mit Hingabe ihrem Entstehen widmen?«
    »Wollt Ihr sagen, dass er wortbrüchig wird?« Veit sah den Astrologen fassungslos an. »Dass wir den Auftrag verlieren?«
    Keller zuckte die Schultern. »Wohin führt diese Türe?«
    »Zum Nebenhaus. Ich hab es angemietet, um mehr Platz zu haben, aber wozu interessiert Euch das?«
    »Ich will gar nichts sagen. Nur, dass Ihr Fuchs von Dornheim das bis jetzt Geschaffene nicht länger vorenthalten solltet. Und dass es weiterhin klug wäre, sich mit eigenen Augen und Ohren davon zu überzeugen, welche Hölle in Förner brennt. Der Rest ist ganz und gar Eure Sache.«
    Er stellte die Hirtenfigur ab und ging zur anderen Tür.
    »Weshalb tut Ihr das?«, rief Simon ihm hinterher. »Wieso warnt Ihr uns? Ihr kennt uns doch kaum. Was ist Euer Vorteil dabei?«
    Als Keller sich zu ihm umdrehte, war sein Gesicht heller geworden.
    »Weil ich Euch für talentiert halte«, sagte er. »Und weil mich seit jeher die Vorstellung tief bewegt hat, dass Jesus das Dasein als Mensch auf sich genommen hat. Für uns Sünder ist er am Kreuz gestorben. Das belegt die Heilige Schrift. Aber dazu musste er erst einmal von Maria geboren werden. Ich darf mich für heute verabschieden.«
    Er zog die Türe hinter sich zu.
    Eine Weile blieb es still.
    »Und wenn alles nichts als ein Vorwand ist?«, sagte Simon schließlich. »Und er uns nur auf schonende Weise beibringen sollte, dass der Fürstbischof längst andere beauftragt hat?«
    »Hör auf!«, sagte Veit. »Das bringt doch nichts.«
    »Aber was willst du jetzt tun? Wir können doch nicht einfach dasitzen und abwarten!«
    »Wir machen genau das, was er vorgeschlagen hat. Nächsten Sonntag gehen wir zur Messe in St. Martin. Und danach werden wir dem Fürstbischof beweisen, dass wir die einzigen Holzbildhauer weit und breit sind, die für seine Krippe in Frage kommen.« Sein Blick flog prüfend über die Figuren. »Ich werde ihm gleich die Bitte um eine Audienz zukommen lassen.«
    »Aber die Heilige Familie

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