Die Hüterin der Quelle
endlich mit der Arbeit zu beginnen. Die Kühle in den neu erschlossenen Gewölben erschien ihm konstant, aber mit der Annahme würde er sich auf Dauer nicht zufrieden geben. Auf seiner letzten Reise hatte er Braumeister in Pilsen von wundersamen Glasapparaturen erzählen hören, mit Weingeist oder anderem Hochprozentigem gefüllt, mit deren Hilfe man die Temperatur exakt bestimmen konnte. Thermometer nannte man sie, und zu seinen Plänen gehörte, sich so bald wie möglich einen davon zu beschaffen.
In wenigen Tagen würden die fleißigen Böhmen Bamberg wieder in Richtung Heimat verlassen – und damit, was das Beste war, das Geheimnis seiner neuen Stollen mit ihnen. Er brauchte sich nicht zu sorgen, dass sich jemand aus der Stadt an seinen Vorräten zu schaffen machte. Von Schneider drohte keine Gefahr. Sein Geselle mochte an Druten und Magie glauben, aber er war kein Dieb. Pankraz hoffte, dass er bald wieder die Arbeit aufnehmen konnte.
Selina kam ihm in den Sinn, als er nach oben stieg, Selina, die ihn immer wieder an sein Versprechen erinnerte. Erst kürzlich war Pankraz Zeuge eines heftigen Streits zwischen Marie und dem Mädchen geworden, als sie schmutzig und verweint nach Hause gekommen war, und zum ersten Mal hatte er seine Tochter als zu hart empfunden.
»Die Kleine hat es schwer, das darfst du nicht vergessen«, sagte er beschwichtigend, als sie Selina in ihre Kammer schickte, obwohl es noch hell war. »Vielleicht könntest du sie …«
»Nimm du sie jetzt auch noch in Schutz – das hat mir gerade noch gefehlt! Hast du nicht gesehen, wie sie heimgekommen ist? Das neue Kleid – verdorben. Keine Ahnung, wo sie sich wieder rumgetrieben hat. Fragen kann ich mir ohnehin sparen. Selina tanzt mir auf der Nase herum. Wenn ich ihre Mutter wäre …«
»Aber du bist nicht ihre Mutter, Marie.«
»Und du nicht ihr Großvater.« Wütend war Marie zu ihm herumgefahren. »Sie geht dir um den Bart, merkst du das nicht? Schlau ist sie nämlich, das kleine Biest – und störrisch wie ein Maulesel!«
Er musste lächeln, als er daran dachte.
Er würde Selinas Wunsch nachkommen und sie demnächst mit in den »Bauch des Berges« nehmen, wie er es versprochen hatte. Pankraz tat es nicht ohne Hintergedanken. War das Mädchen wieder guter Laune, vertrug sie sich besser mit Marie.
Und sein Mädchen würde auch wieder glücklich sein.
Veit Sternen blickte ungehalten auf, als Marie die Tür zur Werkstatt öffnete. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte.« Er ließ den Zirkel sinken.
»Ich weiß«, sagte sie. »Aber du hast Besuch. Hohen Besuch.«
Gleich hinter ihr drängte sich Damian Keller in den Raum.
»Ich muss Euch sprechen«, sagte er. »Ihr habt doch einen Augenblick Zeit für mich?«
Simon erhob sich von seinem Hocker. Veit wischte sich die Hände an der Hose ab. Er wies auf die halbfertigen Modelle und die Holzspäne, die den Boden bedeckten.
»Wir sind mitten in der Arbeit …«
Marie schloss die Türe und zog sich zurück. In sechs Ehejahren hatte sie gelernt, wann der richtige Moment dafür war.
Der Astrologe sah sich neugierig um.
»Überall Holz. Und dieser wundervolle Geruch! Ich beneide Euch. Ihr müsst glückliche Männer sein.«
Vater und Sohn tauschten einen raschen Blick.
»Ist etwas passiert?«, sagte Simon. »Ich meine, schickt Euch der Fürstbischof?«
»Der Fürstbischof? Nun, in gewisser Weise könnte man das sogar so sehen. Aber Fuchs von Dornheim weiß nicht, dass ich hier bin. Und er darf es auch niemals erfahren.«
»Ich verstehe nicht …«
»Mein Fehler!« Keller deutete eine Verneigung an. »Ich müsste etwas ausholen. Dann werdet Ihr wissen, was ich meine.«
»Dann redet!«
»Ich kenne den Fürstbischof seit einem Jahr«, sagte Keller. »Das erscheint auf den ersten Blick nicht besonders lang – und ist es andererseits doch. Denn ich habe sein Geburtshoroskop erstellt.« Er rieb die Hände aneinander. »Ich darf mich kurz setzen?«
Simon räumte einen Hocker frei. Damian Keller nahm Platz und schlug die langen Beine übereinander.
»Als er die Welt erblickte, stand Saturn am Mittagshimmel. Deshalb ist ihm die öffentliche Meinung stets ein ganz besonderes Anliegen. Der feurige Mars dagegen steht im gefühlvollen Krebs, der für seine gewundenen Wege bekannt ist. Ihr wisst, was ich damit sagen will?«
»Keine Ahnung«, sagte Veit Sternen. »Könnt Ihr nicht deutlicher werden?«
»Gewiss.« Kellers Gesicht überzog sich mit heller
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