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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Leinöl riechen, mit dem sie die Holzplatte eingerieben hatte. Ihr sattes Goldbraun erinnerte ihn an das Bernsteinherz, das seine Frau früher so gerne getragen hatte. Er hatte es ihr von einer seiner Reisen aus Böhmen mitgebracht, als Geburtstagsgeschenk, aber auch als Entschuldigung dafür, dass er so viel unterwegs war, um nach den neuesten Brautechniken Ausschau zu halten. Jetzt lag es schon seit langem vergessen in einer der vielen Schatullen, die sich auf dem Dachboden stapelten.
    »Du kannst dir sicher vorstellen, was Georg Schneider dazu sagt. Am liebsten würde ich ihm einen Maulkorb umhängen.«
    »Drutenwerk. Ein uralter Fluch.« Sie war in einen künstlichen Bass verfallen. »Mit Mann und Maus werden wir untergehen, bis ins siebte Glied ... Etwa diese Richtung?«
    Er nickte beklommen, weil er unwillkürlich an Hanna denken musste. Etwas in ihm scheute sich davor, ihren Namen in Gegenwart seiner Tochter auszusprechen.
    Marie aber lachte.
    »Komm schon, Väterchen, du kannst es dem Fürstbischof nicht recht machen. Niemand kann das. Das weiß ganz Bamberg. Er wird immer etwas finden, womit er unzufrieden ist. Wenigstens darauf kannst du dich verlassen.«
    »Aber er kürzt alle Rechnungen. Falls er überhaupt bezahlt. Dabei ist mein Kirchweihbock so gut geworden wie noch nie!«
    »Eine Taktik, die sich bestens für ihn bewährt hat. Weshalb sollte er sie aufgeben? Viele Handwerker in der Stadt sind erleichtert, wenn keine Hofaufträge mehr kommen, obwohl sie das öffentlich niemals zugeben würden. Aber du bist ein Haller, vergiss das nicht! Außerdem wird das Ganze sich bald einspielen. Bis dahin müssen wir eben durchhalten. Und unser Bock wird ein großer Erfolg. Davon bin ich überzeugt.«
    Sie hatte wir gesagt, so wie früher! Und unser .
    Die Freude darüber ließ Pankraz vieles von seinem Kummer vergessen. Sogar, dass er sich Sorgen machte, wo er genügend Gerste für die nächsten Sude herbekommen sollte. Allerdings hatte er auch dazu bereits eine Idee. Mit neu erwachtem Interesse musterte er seine Tochter. Irgendetwas musste passiert sein, dass Marie plötzlich wieder die Welt außerhalb der Werkstatt wahrnahm.
    »Hattest du Streit mit Veit?«, riet er aufs Geratewohl.
    »Wie soll man mit jemandem streiten, der bestenfalls körperlich anwesend ist?«
    »Er lässt dich nach wie vor so viel allein?« Sein Blick glitt in der Stube umher. Pankraz hatte sich hier niemals besonders wohl gefühlt. Und er hatte nie einen Hehl daraus gemacht.
    Plötzlich sah sie ihr Zuhause nicht mit seinen, sondern mit Veits Augen. Sie konnte sich anstrengen, so viel sie wollte, scheuern, polieren, die Möbel neu arrangieren, es bedeutete ihm nichts. Es gab eine Kraft, die ihren Mann hinauszog, an Orte, von denen sie nichts wusste, zu Menschen, die sie nicht kannte. Ihr Mann ließ sich ebenso wenig einsperren wie seine Tochter Selina. Wenn sie bei ihm bleiben wollte, würde sie lernen müssen, damit zu leben.
    »Veit sagt, er könne nicht anders. Wenn er überhaupt etwas sagt«, erwiderte sie. »Was nicht gerade oft vorkommt.«
    Sie verriet dem Vater nicht, dass sie neulich nachts in die Werkstatt gegangen war und sie leer vorgefunden hatte, obwohl Veit behauptet hatte, er würde selbst bei ungünstigem Kerzenlicht bis zum Morgengrauen arbeiten. Später darauf angesprochen, hatte er behauptet, er habe nur einen kurzen Spaziergang durch die schlafende Stadt gemacht, um den Kopf wieder freizubekommen.
    Ob sie ihm glauben sollte? Marie war sich nicht sicher. Stets hatte sie darauf gehofft, Veit würde sich ändern. Eines Tages. Ihr zuliebe. Weil ihm an ihrer Liebe etwas lag. Doch plötzlich erschien ihr diese Hoffnung mehr als trügerisch.
    »Du sagst das so gelassen. Fast abgeklärt.«
    »Was sonst sollte ich tun? Auf die Knie fallen und ihn anbetteln?« Sie schüttelte den Kopf. In ihren hellen Augen sah Pankraz eine Spur Ärger aufblitzen. »Er weiß genau, was ich mir wünsche. Ich muss ihm nicht Tag für Tag damit in den Ohren liegen.«
    Das Thema schwebte zwischen ihnen, lange schon. Jetzt jedoch schien Pankraz der richtige Zeitpunkt, um es anzusprechen. Er wählte die Worte behutsam, um Marie nicht zu verletzen.
    »Du bist die Sonne meines Lebens«, sagte er und merkte zu seinem eigenen Erstaunen, wie brüchig seine Stimme klang, so bewegt war er auf einmal. »Und sollte dir etwas zustoßen, dann möchte ich keinen Tag länger auf der Welt sein. Ich weiß um mein Glück, eine Tochter wie dich zu haben.

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